„Wissenschaftskommunikation braucht Zeit, damit sie bestmöglich ist“
Mit ihrer Keynote zu „Wissenschaftskommunikation im Geschwindigkeitsrausch“ hat Prof. Dr. Katharina Zweig das Forum Wissenschaftskommunikation 2025 eröffnet. Die Professorin für Informatik an der RPTU Kaiserslautern-Landau kritisiert das übereilte Erstellen und Veröffentlichen von Studien seitens Forschenden und Medien. Um dem vorzubeugen, stellt sie vier zentrale Forderungen für eine gelingende Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation auf.
von Hanna Strub
Eine Studie wird eilig erstellt und von Forschenden unter hohem Publikationsdruck auf Preprint-Servern veröffentlicht. Medien verbreiten die Ergebnisse ohne gründliches Prüfen und rasch werden politische Forderungen erhoben: „Das nenne ich Wissenschaft im Geschwindigkeitsrausch“, erklärte Katharina Zweig zu Beginn ihres Vortrags. So sei es zum Beispiel bei einer Studie zu einer KI-Corona-App der Fall gewesen, die Covid-19-Erkrankte an ihrem Husten erkennen sollte. Das Problem: Die Erkennungsrate der App war nicht ausreichend, zu viele Nutzer*innen wurden fälschlicherweise diagnostiziert. Die politische Forderung war deshalb unsinnig. Eine Korrektur der Sachlage durch kritische Journalist*innen oder Wissenschaftskommunikator*innen fand im konkreten Fall nicht statt und dauere in der Regel sehr lange.
„Die Wissenschaft muss aufpassen, mit welchen Wörtern sie über KI spricht“
Auch die rasante Entwicklung von Sprachmodellen sei Ausdruck einer Wissenschaft im Geschwindigkeitsrausch („KI und die Hypergeschwindigkeit“). Irreführend sei es laut Zweig, wenn Forschende einem Sprachmodell Denk- und Urteilsvermögen (reasoning) zuschreiben. Dieser Etikettenschwindel habe sie dazu veranlasst, ihr jüngstes Buch „Weiß die KI, dass sie nichts weiß?“ zu schreiben. „Menschen sprechen über ein Stück Technologie mit Worten aus dem Alltag, als ob es die eine Künstliche Intelligenz mit Bewusstsein gäbe“. Tatsächlich handle es sich um verschiedene Wahrscheinlichkeitsmodelle, die rein sprachliche Strukturen lernen. In „80 bis 85 Prozent sind die Ergebnisse der Sprachmodelle richtig, aber in 15 Prozent sind sie völliger Unsinn“. Deshalb solle man den englischen Begriff „reasoning“, oder deutsche Entsprechungen wie „denken“ oder „argumentieren“ im Zusammenhang mit Sprachmodellen nicht verwenden. „Die Wissenschaft muss aufpassen, mit welchen Wörtern sie über KI spricht“, mahnt die Sozioinformatikerin. Sie sieht in der Frage „Wie sollten wir über das sprechen, was Computer tun?“ eine große Aufgabe für die Wissenschaftskommunikation in den nächsten Jahren.
„Wir brauchen Zeit zum Reproduzieren und Lesen von Studien“
Zweig ist sich des Balanceakts bewusst, wenn sie über unzureichende Studien und unlautere Begriffsverwendungen spricht. Die Frage „Wie viel öffentliche Kritik an der Wissenschaft verträgt die Gesellschaft?“ treibe sie um. Damit das Vertrauen in Forschung nicht untergraben werde, erinnert sie im Rückgriff auf Naomi Oreskes Buch „Why trust in science?“ an die Grundpfeiler guter Wissenschaft: ein vielfältiges Team, reichlich Möglichkeiten zur fachlichen Begutachtung und Offenheit für Kritik. Wissenschaft brauche außerdem „Zeit zum Reproduzieren und Lesen von Studien“ und auch „Wissenschaftskommunikation braucht Zeit, damit sie bestmöglich wird.“
Welche große Gefahr es ist, wenn die Bevölkerung Vertrauen in Wissenschaft verliert und konservative Kräfte die Freiheit der Forschung beschneiden, macht Zweig mit zwei Videoausschnitten aus den USA deutlich. Keinesfalls dürfe es hierzulande dazu kommen, dass Universitäten zum Feind und Forschungsanträge einer Zensur unterliegen würden. Eine Paläontologin führt auf Instagram vor, wie es aussähe, wenn sie einen Antrag stellen würde, ohne die von Präsident Trump veröffentlichten Wörter („unspeakable words“) zu nutzen. „So darf es bitte nicht aussehen“ mahnt Zweig, Trägerin des Bundesverdienstkreuzes.
Vier Forderungen für eine gelingende Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation
Damit Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation erfolgreich sein können, stellt Zweig vier zentrale Forderungen auf: bessere Wissenschaftsbildung an Schulen, Professuren mit Lehrdeputat für die Allgemeinheit, professionelle Wissenschaftskommunikation an den Universitäten sowie mehr Geld für Wissenschaftskommunikation und unabhängigen Journalismus. Als mögliches Mittel für letzteres schlägt Zweig vor, große KI-Unternehmen für generierte deutschsprachige Token zu besteuern. „Wir alle tragen mit unseren Texten dazu bei, dass diese Maschinen Texte auf Deutsch generieren können. Warum sollte das der deutschen Sprachcommunity nicht wieder zugutekommen?“ Zweigs eindringliches Fazit lautet: „Wir brauchen eine transparente Wissenschaft in einer demokratischen Gesellschaft mit starkem, unabhängigem Journalismus“.