„Wir müssen hinterfragen, wer in welcher Form Zugang zu Wissenschaft und Kommunikation hat“

Wie wird Wissenschaftskommunikation diverser und vielfältiger? Darum geht es in der interaktiven Session, die Dr. Sabina García Peter für das diesjährige Forum Wissenschaftskommunikation organisiert. Sabina García Peter arbeitet am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung der FU Berlin. Im Interview spricht sie über Gründe und Folgen der mangelnden Diversität und erzählt, was Teilnehmende in ihrer Session erwartet.
von Alena Weil
Frau García Peter, auf dem Forum laden Sie zu einem Worldcafé zum Thema „Wissenschaftskommunikation aus einer Gender- und Diversity-Perspektive ein“. Wie divers ist die Wisskomm-Community?
Ich denke, dass die Wissenschaftskommunikation zunehmend vielfältiger wird. Diversität bedeutet für mich die Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt in der Gesellschaft. Es gibt viele Initiativen und Projekte, die die Wissenschaftskommunikation inklusiver gestalten wollen, wie der Bericht „Towards Inclusive Science Communication“ der Spanischen Stiftung für Wissenschaft und Technologie, F. S. P. (FECYT) aus dem Jahr 2022 zeigt. Es gibt auch immer mehr Forschungsprojekte, bei denen das in irgendeiner Weise einbezogen wird. Wir müssen aber auch sagen: Es reicht nicht, hier und da mal eine Frau oder eine nicht-weiße Person aufs Podium zu setzen. Natürlich ist es schön, wenn man eine Frau auf der Bühne hat. Man muss sich aber auch fragen: Wer ist diese Frau? Welche Stimme vertritt sie? Es gibt Gründe, warum diese Frau dort sitzt und keine andere. Zum Beispiel wird möglicherweise eher eine weiße Frau aus einem sozial privilegierten Akademikerhaushalt dort sitzen als das Arbeiterkind mit Migrationshintergrund. Dahinter stehen komplexe Machtstrukturen. Wenn wir über Diversität sprechen, müssen wir immer auch über Intersektionalität sprechen.
Diversität geht also nicht ohne intersektionale Perspektive. Was bedeutet das?
Intersektionalität beschreibt das Zusammenwirken mehrerer Diskriminierungsformen, zum Beispiel Geschlecht, Herkunft und sozialer Hintergrund. Menschen werden also nicht nur aufgrund einzelner Eigenschaften benachteiligt, sondern auch durch das Zusammenspiel von verschiedenen Machtkategorien. Das müssen wir verstehen, wenn wir Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation gerechter und inklusiver gestalten wollen. Und wir müssen hinterfragen, wer in welcher Form Zugang zu Wissenschaft und Kommunikation hat, und welche Mechanismen dahinter stehen.
„Es scheitert am Wissenschaftssystem“
Woran liegt es, dass Wissenschaftskommunikation immer noch so wenig divers ist?
Ich glaube, es scheitert am Wissenschaftssystem selbst und daran, wie dieses System funktioniert. Wissenschaft hat schon immer bestimmte gesellschaftliche Gruppen ausgeschlossen. Das heißt, es werden bestimmte Perspektiven bevorzugt. Das müssen wir uns klar machen, wenn wir möchten, dass Praktiken der Wissensproduktion und -kommunikation anders gestaltet werden.
Welche Gruppen sind das, die bislang ausgeschlossen werden?
Hier spielt unter anderem das Geschlecht eine wichtige Rolle, aber beispielsweise auch alles, was mit sozialer Klasse zu tun hat. Marginalisierte Gruppen werden zwar erforscht, aber in der Wissenschaft selbst nicht einbezogen.
Wie ist die Idee zur Session beim Forum Wissenschaftskommunikation entstanden?
Die Idee ist aus meiner Arbeit hier am Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung der Freien Universität Berlin entstanden. In meinem Job beschäftige ich mich mit der Frage, wie wir die Ergebnisse der Geschlechterforschung sichtbarer machen. Daneben gehört es aber auch zu meiner Arbeit, Wissenschaftspraktiken aus einer Gender- und intersektionalen Perspektive kritisch zu hinterfragen. Hier geht es auch darum, wie wir Forschungsergebnisse kommunizieren. Die Idee zur Session entstand genau aus dieser Frage: Wie können wir Wissenschaftskommunikation gerechter und inklusiver gestalten?
„Diversität ist nie ein Selbstzweck“
Was erwartet die Teilnehmenden Ihrer Session? Und für wen ist die Session besonders interessant?
In der Session werden wir an vier Thementischen arbeiten und aus einer Gender- und Diversity-Perspektive über die Praxis der Wissenschaftskommunikation reflektieren. Der Fokus wird auf vier Dimensionen liegen: Inhalte, Medien, Zielgruppe und Sprache. Mein Ziel ist es, einen bewussten und sensiblen Umgang mit Gender und Diversity in der Wissenschaftskommunikation zu fördern. Das ist - meiner Meinung nach - für jede*n interessant. Denn letztlich geht es darum, bessere Wissenschaftskommunikation zu machen.
Das Worldcafé ist eine Einladung, die eigene Kommunikation zu reflektieren und zu verändern. Sich etwa zu überlegen: Was kommuniziere ich, und was lasse ich weg? So kann zumindest im Kleinen und individuell ein Umdenken angestoßen werden. Wenn am Ende die ein oder andere Person aus der Session rausgeht und sagt: „Das ist etwas, woran ich noch nie gedacht habe, aber das ergibt für mich Sinn und diese Fragen kann ich mir jetzt immer wieder stellen“ - das wäre ganz toll.
Das ist eine schöne Überleitung zu meiner Abschlussfrage: Warum ist Diversität in der Wissenschaftskommunikation so wichtig?
Mehr Diversität ist ein Schritt hin zu einer Wissenschaft, die ihre eigene gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt. Das hat viel mit Gerechtigkeit und Inklusion zu tun. Diversität ist dabei nie ein Selbstzweck, sondern macht die wissenschaftliche Arbeit und die Wissenschaftskommunikation auch praktisch besser. Das kann weitreichende Folgen haben, wie man etwa an Beispielen aus der geschlechtersensiblen Medizin sehen kann.
Wir müssen sicherstellen, dass verschiedene Perspektiven in die wissenschaftliche Diskussion und die Kommunikation mit einfließen und berücksichtigt werden. Und dafür ist mehr Diversität ein wichtiger Schritt.
Forum Wissenschaftskommunikation, Mittwoch, 11. Dezember, 13.45–15.15 Uhr
Session: Wissenschaftskommunikation aus einer Gender- und Diversity-Perspektive
Moderation: Dr. Sabina García Peter, Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung, Freie Universität Berlin