KI, TikTok, Desinformation: Die Debatten des fwk24
Wir blicken auf den zweiten Tag des Forum Wissenschaftskommunikation 2024 zurück. In Sessions und Workshops wurde rund um das Tagungsthema “Wissenschaftskommunikation für eine starke Demokratie und offene Gesellschaft” diskutiert und Projekte der Wissenschaftskommunikation vorgestellt.
Von Ursula Resch-Esser, Simon Esser und Alena Weil
Welche Chancen, Risiken und Herausforderungen birgt die Nutzung von KI-Bildern in der Wissenschaftskommunikation? Darum ging es am zweiten Tag des Forums in einer Session mit Gesine Born, Bilderinstitut, Markus Berg, Amnesty International Deutschland und Prof. Elke Grittmann, Hochschule Magdeburg-Stendal moderiert von Dr. Felix Koltermann, CISPA Helmholtz Zentrum für Informationssicherheit. Gesine Born betonte die Bedeutung von Transparenz, sie forderte aber auch, dass Menschen beteiligt werden müssten: „Mir ist es wichtig, dass man nicht nur die Bilder betrachtet, sondern auch den Weg, der dahin führt. Und ich möchte das gerne ein bisschen partizipativer gestalten.“
Berg und Grittmann wiesen auf die Risiken der KI-Nutzung hin. Beim Einsatz von KI, das wurde deutlich, müssen Risiken und Chancen immer abgewogen werden. KI-generierte Fotos eigneten sich nicht für alle Bereiche und Institutionen. So müsse eine Organisation wie Amnesty International, die über Menschenrechtsverletzungen aufklärt, empathisch und sensibel kommunizieren. Eine KI habe jedoch keine Empathie, sagte Berg.
Auch im Journalismus sei die Nutzung von KI häufig problematisch, erklärte Kommunikationswissenschaftlerin Grittmann. Insbesondere bei der dokumentarischen Fotografie seien KI-generierte Bilder ein „No-Go”. Überall da, wo es um Faktizität gehe, rate sie von Bild-KI ab, so Elke Grittmann. Für einen kreativen Prozess hingegen, für die Ideenfindung und Konzeption könne man die KI-Bildgeneratoren nutzen, war sich die Runde einig. Und trotz aller Herausforderungen betonte Gesine Born auch die positive Seite der KI. KI-generierte Bilder seien die „Visualisierung einer Vorstellung.” Man könne eine Utopie abbilden und Menschen zum Nachdenken anregen, sagte Born. Darin liege auch eine Kraft.
In der Session Das Museum als demokratischer Begegnungsort ging es um das Rollenverständnis von Museen als Bildungsressource für die Demokratiebildung. Dabei wurde auch diskutiert, inwiefern Museen Vielfalt, Toleranz und Inklusion fördern können und müssen. Im Fokus stand unter anderem die Frage, ob Museen angesichts einer Verschiebung von Diskursen aktivistischer werden müssen und was Debattenformate ihren Teilnehmer*innen abverlangen sollten, bevor eine Moderation eingreift. Angesichts einer Verschiebung des Sagbaren, darauf verwies Jonas Klinkenberg vom Deutschen Hygiene-Museum, könne eine stärkere inhaltliche Moderation erforderlich werden.
Museen als aktivierende Akteure
Dr. Gabriele Zipf (Futurium) sieht Potenzial für Synergien zwischen Begegnungen vor Ort einerseits und digitalen Angeboten andererseits: So erlaubten die Armbänder im Futurium den Abruf digitaler Angebote zu den Exponaten des Futuriums und lieferten gleichzeitig Daten über die interaktive Beteiligung der Besucher*innen. Jonas Klinkenberg sprach über die Reflexion von Debatten mit den Teilnehmer*innen: „Unter Zeitdruck brüllen die Teilnehmerinnen sich an.“ Angesichts einer Verschiebung des Sagbaren könne eine stärkere inhaltliche Moderation erforderlich werden. Er betonte die Bedeutung von Vertrauen im Rollenspiel: „Wenn ich denke, eine Person würde mich auch außerhalb der Rolle beleidigen, bin ich nicht bereit, mich einzulassen.“ Für die Moderation empfiehlt er die Entwicklung eines Protokolls, das klare Verantwortung und Lösungswege benennt.
Sylvia Willkomm vom Deutscher Museumsbund skizzierte die Rolle von Museen als aktivierende Akteure: „Aktivierend statt aktivistisch, zur Mündigkeit befähigen, statt Meinung vorgeben“, so definiert Willkomm die Rolle der Museen. Sie betont, dass dies immer auf dem Boden des Grundgesetzes geschehen müsse. Willkomm warnte vor Selbstzensur, die dazu führen könne, gefällige Inhalte zu präsentieren, um rechte Kritik oder Angriffe zu vermeiden. Dies widerspreche dem Anspruch von Museen als Orte der Vielfalt und Auseinandersetzung.
Wie können junge Menschen adressiert werden, die sich kaum für aktuelle Informationen interessieren, und die mit journalistischen Angeboten nicht erreicht werden? Darum ging es in der Session: „Und was hat das mit mir zu tun? Junge Menschen für Nachrichten aus der Wissenschaft begeistern“. Die Gründe sind durchaus vielfältig. Jugendliche, darauf verwies Rieke Smit , Redakteurin dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH / #UseTheNews, interessierten sich im Alter von 14-17 Jahren aufgrund ihrer persönlichen Entwicklung häufig weniger für Nachrichten. Gleichzeitig habe sich das Medienumfeld durch die Digitalisierung stark verändert. Jugendliche nutzten Plattformen wie TikTok vorrangig zur Unterhaltung, treffen dort aber auch auf Nachrichten und Falschinformationen. Oft fühlten sie sich dann überfordert, zwischen News und Fake News zu unterscheiden. In Bezug auf TikTok ermutigte Rieke Smit Kommunikator*innen: Nicht jedes Video müsse ein Erfolg sein – der Lernprozess stehe im Vordergrund. Der Aufwand sei überschaubar, und durch regelmäßige Versuche verbessere man sich kontinuierlich.
Plattformen wie TikTok sind auch häufig Zentrum der Debatte, wenn es um Desinformation geht. Über dieses Thema und die Frage, wie Wissenschaftskommunikation gegen Propaganda-Narrative wirken kann, diskutierten die Psychologin Dr. Pia Lamberty, CeMAS - Center für Monitoring, Analyse und Strategie, die wissenschaftliche Direktorin des ZOiS - Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien Prof. Gwendolyn Sasse und die Historikerin Franziska Davies, Ludwig-Maximilians-Universität München, moderiert von der Leiterin der Kommunikation am ZOiS, Dr. Stefanie Orphal.
Wisskomm im Umgang mit Desinformation
Es sei wichtig, mit der Wissenschaftskommunikation nicht nur Propaganda-Narrative zu widerlegen, betonte Franziska Davies. Wenn man etwa Aussagen des russischen Präsidenten Putin dekonstruiere, sei es immer noch Putin, der die Begriffe bestimme. Davies plädiert dafür, eigene Themen zu setzen. Auch die Berichterstattung und die Verantwortung der Medien wurde in der Runde beleuchtet. Pia Lamberty kritisierte, es gebe in den Medien zu wenig Standards, wenn es darum geht zu bewerten, wer als Expert*in zu welchem Thema sprechfähig ist. Hier seien bessere Qualitätskriterien notwendig. Angesichts von Zuspitzungen und False Balance-Tendenzen in den Medien ergebe sich für Forschende auch oft ein Dilemma, sagte Davies: Soll man sich auf mediale Debatten mit Personen einlassen, obwohl diese in der Wissenschaft kaum eine Rolle spielten?
Grundsätzlich sei es aber wichtig, mehr zu kommunizieren und sich auf Basis der eigenen Expertise öffentlich zu positionieren. Hier war sich die Runde einig. Allerdings werde Wissenschaftskommunikation im Wissenschaftsbetrieb immer noch zu wenig honoriert, gab Gwendolyn Sasse zu bedenken. Zugleich erlebten Forschende, die sich in die Öffentlichkeit wagen, zunehmend Anfeindungen und Hass. Hier brauche es mehr Unterstützung, auch von der eigenen Institution, sagte Sasse. Mit dem Thema Wissenschaftsfeindlichkeit verband Pia Lamberty auch ein Plädoyer für mehr Wissenschaftskommunikation: „Denn je mehr Menschen etwas sagen, desto weniger gefährlich wird es.”
Nach zwei intensiven Tagen ging das Forum Wissenschaftskommunikation zu Ende. Unser Geschäftsführer Benedikt Fecher dankte Teilnehmer*innen, Programmbeirat und Team - und bat zur Ankündigung Isabella Kessel von der Landeshauptstadt Stuttgart aufs Podium: „Wir waren 750 Teilnehmer*innen hier und freuen uns, nächstes Jahr auch 750 Teilnehmer*innen bei uns in Stuttgart zu begrüßen.”
Das Forum Wissenschaftskommunikation 2025 findet am 3. und 4. Dezember 2025 in Stuttgart statt.