"Es ist wichtig, dass die Wissenschaft auch in den sozialen Medien präsent ist."

Porträt von Professorin Hannah Schmid-Petri
© Fritz Pflugbeil
21. November 2024

Wie kann ein konstruktiver Klimadialog in sozialen Medien gelingen? Darum geht es im Workshop, den Hannah Schmid-Petri mit Kolleg*innen der Uni Passau beim Forum Wissenschaftskommunikation organisiert. Schmid-Petri ist Professorin für Wissenschaftskommunikation und erforscht, welche Faktoren einen produktiven Onlinedialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft beeinflussen können. Im Interview spricht sie über Potenziale der Onlinekommunikation und darüber, was Teilnehmende im Workshop erwartet.

von Ursula Resch-Esser

Frau Schmid-Petri, warum sollten Wissenschaftler*innen in den sozialen Medien kommunizieren?

Ich glaube nicht, dass dort alle kommunizieren müssen. Aber grundsätzlich ist das eine gute Möglichkeit, Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. Und natürlich ist es auch eine gute Möglichkeit, mit bestimmten Personen in den Dialog zu treten. Sicher gibt es in den sozialen Medien kein Abbild der Gesamtbevölkerung, sondern auf Netzwerken wie X oder LinkedIn sind ausgewählte Personen oder Gruppen aktiv, zum Beispiel andere Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und politische Akteur*innen. Aber vielleicht ist es auch wichtig, gerade mit diesen Personengruppen in Kontakt zu treten.

Generell geben aber auch immer mehr Menschen an, sich in den sozialen Medien über aktuelle Themen zu informieren. Insofern ist es wichtig, dass die Wissenschaft dort auch präsent ist, damit sie in den Debatten dort nicht einfach fehlt. Wenn man sich anschaut, welche Akteure bei Debatten in den sozialen Medien aktiv sind, dann sehen wir, dass bei wissenschaftlichen Themen, wie zum Beispiel dem Klimawandel, die Wissenschaftler*innen häufig in der Minderheit sind. Das ist schade, weil sie einen wichtigen Beitrag zu diesen Diskussionen leisten könnten. Ich würde für die Wissenschaft das eigentliche Potenzial tatsächlich in der Interaktion sehen, im direkten Austausch. Das ist mühsam, das ist extrem kleinteilig und natürlich leider auch mit der Gefahr der Anfeindung verbunden, aber ich glaube, wenn es funktioniert, steckt da ein positives Potenzial drin.

Was können Wissenschaftler*innen tun, damit der Onlinedialog funktioniert?

Das möchten wir in unserem BMBF-geförderten Projekt „UWIGO: Wissensverhandlung online: Der Umgang von Wissenschaftler*innen mit Impulsen aus der Gesellschaft am Beispiel der Klimaforschung“ untersuchen. Momentan ist es so, dass es bei den meisten Posts von Wissenschaftler*innen überhaupt keinen Dialog gibt. Wir wollen uns anschauen, welche Faktoren einen positiven Einfluss darauf haben, dass es überhaupt zu einem Dialog kommt, wie dann der Austausch stattfindet und was zum Beispiel passiert, wenn sich die Wissenschaftler*innen wieder selbst einbringen in diese Debatten.

Wissenschaftler*innen werden auch in den sozialen Medien angefeindet. Welche Ursachen sehen Sie dafür?

Ich glaube, die eigentlichen Ursachen liegen häufig außerhalb der „Online-Welt“. Gerade beim Klimawandel oder beim Thema Gendern – auch bei Corona hat man es zeitweise gesehen – geht es um hoch politisierte Debatten. Sie sind häufig mit der Identität der Personen, mit bestimmten Wertevorstellungen oder auch mit politischen Ideologien verknüpft. Das führt dazu, dass sich Personen sehr schnell getriggert fühlen, dass sie Angst haben vor Veränderungen oder vor dem Wandel, in dem sich die Gesellschaft gerade befindet. Online – das ist dann wiederum der Nachteil – sind die technischen Möglichkeiten gegeben, direkt zu reagieren. Und das kann natürlich missbraucht werden. Ich denke, dass vor allem populistische Akteure dies extrem befeuern, indem sie ihre politischen Gegner*innen persönlich angreifen und diffamieren und sich nicht sachlich mit inhaltlichen Positionen auseinandersetzen. Dadurch wird dieses Verhalten salonfähig und Diskursnormen verschieben sich.

Wie können Wissenschaftler*innen Anfeindungen in den sozialen Medien begegnen?

Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, solche Beiträge immer zu melden, direkt auf der Plattform und auch bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Das wird noch viel zu wenig gemacht. Es ist aber der einzige Weg, dass auch wirklich etwas dagegen unternommen werden kann.

Was passiert, wenn sich der oder die angegriffene Wissenschaftler*in wieder in die Debatte einbringt, und wie man Angriffen in den sozialen Medien am besten begegnen kann, das wollen wir in unserem Projekt untersuchen. Zum einen besteht natürlich die Gefahr, damit die Diskussion anzuheizen. Wenn man aber gar nichts macht, bleiben Aussagen unwidersprochen so stehen. In der Regel gibt es eine schweigende Mehrheit und es sind oft Einzelpersonen, die sehr laut sind und extrem auffallen. Wenn aber einer anfängt, gegen Anfeindungen vorzugehen, dann passiert es schon häufiger, dass auch andere unterstützen und dann diese Mehrheit endlich einmal sichtbar wird. Insofern glaube ich, dass auch wir als Nutzer*innen gefragt sind, die Person, die angegriffen wird, zu unterstützen. In der Forschung wird gezeigt, dass diese Counterspeech tatsächlich einen Effekt haben kann.

Ich würde auch radikal Accounts blockieren, die einen verbal angreifen, und Nutzer*innen sperren, dass sie nicht mehr kommentieren können. Und es gibt ja inzwischen auch Anlaufstellen, bei denen man sich Hilfe holen kann, wie den Scicomm-Support oder auch HateAid.

In Ihrem Workshop geht es um den Klimadialog in den sozialen Medien. Warum haben Sie sich dieses Thema ausgesucht?

Wir interessieren uns dafür, was passiert, wenn Wissenschaftler*innen Inhalte online teilen. Welche Debatten entstehen, und wie die Grenzen zwischen Wissenschaft und Gesellschaft oder Wissenschaft und Politik in diesen Diskussionen verhandelt werden. Durch die Öffnung der Wissenschaft ergeben sich Grenzverschiebungen. Was darf eigentlich die Wissenschaft, was darf sie nicht? Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema werden ja durchaus auch solche Fragen verhandelt. Das fanden wir spannend und da bietet sich das Thema Klimawandel und die Debatte darüber an. Das Thema ist hochrelevant und es wird auch noch in der Zukunft relevant sein. Zudem passiert relativ viel in den sozialen Medien, so dass es ausreichend Material gibt, das sich untersuchen lässt. Das sind Kriterien, die für uns aus wissenschaftlicher Sicht wichtig sind.

Was erwartet die Teilnehmenden in Ihrem Workshop?

Wir werden die Teilnehmenden erst einmal fragen, was eigentlich aus ihrer Sicht Kriterien eines guten oder konstruktiven Dialogs in den sozialen Medien sind und welche positiven Beispiele ihnen einfallen. Ich glaube, dass da noch einmal andere Kriterien zur Sprache kommen als die, die wir jetzt nur aus der Theorie abgeleitet haben. Wir werden dann kurz vorstellen, was die Theorie bisher dazu sagt. Dann können die Teilnehmenden an unterschiedlichen Stationen Beispiele von Posts und Kommentaren dazu diskutieren. In einer zweiten Phase wollen wir dann mit den Teilnehmenden diskutieren, was Strategien sein können, die einen konstruktiven Dialogverlauf ermöglichen oder begünstigen. Wir haben als Beispiel die Debatte über den Klimawandel gewählt, aber das lässt sich sicher auch auf andere Themen übertragen.

Forum Wissenschaftskommunikation: Donnerstag, 12. Dezember, 13.45–15.15 Uhr,

Interaktiver Workshop: Wie kann ein konstruktiver Klimadialog in sozialen Medien gelingen?
Moderation: Hannah Schmid-Petri, Paula Kolhep und Stephan Schlögl, Universität Passau