„Es geht auch darum, Räume zum Umdenken zu schaffen."
Transformative Prozesse werden in Zukunft viele Lebens- und Arbeitsbereiche betreffen. Diesen Wandel sollte Wissenschaftskommunikation im besten Fall nicht nur begleiten, sondern auch mitgestalten, sagt Hella Grenzebach.
von Ursula Resch-Esser
„Transformation gestalten – Wissenschaftskommunikation für eine Gesellschaft im Wandel“. Dieses Schwerpunktthema hat der Programmbeirat für das Forum Wissenschaftskommunikation 2022 gewählt. Was steckt hinter diesem Thema? Auch in diesem Jahr haben wir darüber mit Mitgliedern des Programmbeirats gesprochen. Hella Grenzebach ist bei Wissenschaft im Dialog Projektleiterin für das Forum Wissenschaftskommunikation. Wir haben mit ihr über die Auswahl des Schwerpunkts, anstehende Transformationsprozesse und ihre Erwartungen an das diesjährige Forum gesprochen.
Die Rolle der Wissenschaftskommunikation für eine Gesellschaft im Wandel steht im Zentrum des Forum Wissenschaftskommunikation 2022. Was war ausschlaggebend für die Wahl dieses Themas?
Dieses Thema ist schon seit einiger Zeit im Themenspeicher des Programmbeirats vorhanden. Nach den Schwerpunkten der letzten beiden Jahre – Wissenschaftskommunikation und Politik sowie Wissenschaftskommunikation und Sprache – passt es als Weiterführung von „Einmischen erwünscht!?“ 2020 und „Auf den Punkt gebracht“ 2021 gut, sich mit zentralen Aspekten einer Gesellschaft im Wandel sowie den damit verbundenen Herausforderungen zu beschäftigen und zu fragen, wie Wissenschaftskommunikation diese begleiten kann.
Dabei soll es aber nicht nur darum gehen, wie die Kommunikation zu, aus und mit der Wissenschaft während mehr als zwei Jahren Pandemie stattgefunden hat. Wissenschaftskommunikation muss sich auch mit den drängenden Fragen in vielen anderen Bereichen auseinandersetzen. Für die Zukunft, in der transformative Prozesse viele Lebens- und Arbeitsbereiche betreffen, sollte es im besten Fall darum gehen, dass Wissenschaftskommunikation diesen Wandel nicht nur begleitet, sondern auch mitgestalten kann.
Welche Transformationsprozesse, welche Herausforderungen hattet ihr im Programmbeirat besonders im Blick?
Das ist eine sehr umfangreiche Liste. Allen voran stehen Klimawandel und Klimakrise, die nahezu alle Menschen betreffen werden. Aber natürlich gibt es auch Zusammenhänge mit ganz vielen anderen Themen, zum Beispiel Energiewende und Mobilitätswende. Auch Digitalisierung und künstliche Intelligenz gehören dazu. Ich denke, man kann gar nicht einzelne Bereiche betrachten. Es ist ja so, dass die alle miteinander verknüpft sind. Die Herausforderung – auch für die Wissenschaftskommunikation – ist, den Überblick über die Transformationsprozesse zu behalten. Man muss schauen, was sind das für Veränderungen, wie wirken sie sich aus, sind sie auch mit Befürchtungen und Ängsten verbunden? Kommunikation muss dann auch mit verunsicherten Zielgruppen umgehen. Andere Stichworte in Bezug auf gesellschaftlichen Wandel sind auch Gesundheit oder Planetary Health, natürlich gehören ökologische Aspekte, aber auch das Spannungsfeld Urbanisierung und ländlicher Raum, dazu. Nicht zu vergessen ist der demographische Wandel. Ich glaube, man kann diese Liste mehr oder weniger unendlich fortsetzen.
Wie kann Wissenschaftskommunikation diesen Wandel unterstützen oder gestalten?
Wie man an den vielen Bereichen sieht, steht viel an. Es gilt, passende Wege der Kommunikation zu finden, um Themen wie die Klimakrise und viele weitere faktenbasiert und gut verständlich zu begleiten. Wichtig ist daneben, Strategien und Lösungen zu finden, wie auch unpopuläre Botschaften aufrichtig vermittelt werden können. Es sollte nicht nur darum gehen, Problembewusstsein zu schaffen, das ist bei vielen ja da. Es geht auch darum, Räume zum Umdenken zu schaffen, Lösungswege aufzuzeigen und zur Mitgestaltung der Transformationsprozesse anzuregen. Neue Ideen dazu kommen beispielsweise aus Maker Spaces, Real-Laboren und partizipativen Formaten im Bereich der Bürger*innenbeteiligung.
Interessant ist, welche Rolle zukünftig der digitale Raum in der (Wissenschafts-)Kommunikation spielen wird, der in den letzten beiden Jahren im Vordergrund stand. Damit meine ich nicht nur Social-Media-Kanäle, mit allen Vor- und Nachteilen. Der digitale Raum kann Kooperation über Grenzen hinweg erleichtern und Beteiligungsmöglichkeiten ausweiten, idealerweise barrierefrei, um möglichst viele Interessierte zu erreichen.
Gibt es Bereiche, von denen Wissenschaftskommunikation lernen kann?
Best- oder Worst-Practice-Beispiele kann es zum Beispiel aus der Unternehmenskommunikation oder aus der politischen Kommunikation geben. Interessant ist auch, wie Zukunftsfragen und Wandel im Film, im Theater oder in der Kunst aufgegriffen und bearbeitet werden. Dabei sollte es keine Kommunikation der Apokalypse sein. Vielmehr sollte man aufzeigen, welche Handlungs- und Beteiligungsmöglichkeiten es gibt. In diesem Sinne hoffe ich, dass beim Call for Proposals viele interessante Vorschläge aus den unterschiedlichsten Bereichen eingereicht werden, die wir beim Forum aufgreifen und diskutieren können.
Was erwartest du vom diesjährigen Forum Wissenschaftskommunikation?
Ganz unabhängig vom Thema des Schwerpunkts und vom Programm freue ich mich darauf, dass es hoffentlich wieder eine Tagung in Präsenz geben wird und wir endlich, wie lange geplant, bei unseren lokalen Partnern zu Gast sein können – bei der Leibniz Universität Hannover und der VolkswagenStiftung.
Nach zwei Jahren im digitalen Ausweichquartier (in dem wir uns ja sehr gut eingerichtet hatten) wird das Forum dann wieder ein Ort für reale Begegnungen und den direkten Austausch sein. Besonders freue ich mich darauf, viele alte und hoffentlich auch zahlreiche neue Kolleg*innen zu treffen und wieder vor Ort ins Gespräch kommen zu können. Dann wird das Forum Wissenschaftskommunikation für alle an der Wissenschaftskommunikation Interessierten wieder vollständig der Treffpunkt zum Netzwerken, den unsere Tagungsteilnehmenden und auch wir bei WiD so schätzen: Welcome back oder wie die Queen schon 2020 im ersten Lockdown gesagt hat „We will meet again!“
Das Forum Wissenschaftskommunikation findet vom 4. bis 6. Oktober 2022 in Hannover statt. Der Call for Proposals ist noch bis zum 10. März 2022 offen.