„Wir wollen die Hürden senken, sich mit der Energiewende zu beschäftigen.“
Die Ausstellung Power2Change: Mission Energiewende will das Thema Energie und Klimaneutralität für alle Menschen zugänglich machen. Wie das funktionieren kann, erklärt Projektleiterin Beate Langholf im Interview.
Die Wanderausstellung Power2Change: Mission Energiewende will das Thema Energie und Klimaneutralität für alle zugänglich machen und Einblicke in die Forschungslabore der Energiewende geben. Doch wie lassen sich die dahinterstehenden, komplexen Technologien anschaulich vermitteln? Wie wird das Thema Energiewende (be-)greifbar? Zur Eröffnung der Ausstellung im Klimahaus® Bremerhaven haben wir darüber mit unserer Projektleiterin Beate Langholf gesprochen. Im Verbundprojekt übernimmt Wissenschaft im Dialog die Projektkommunikation, das Rahmenprogramm mit Evaluation sowie die Tourorganisation der Wanderausstellung.
Ab dem 18. Januar ist die Ausstellung Power2Change: Mission Energiewende im Klimahaus® Bremerhaven zu sehen. Sie ist Teil des Projektes „Wissenschaftskommunikation Energiewende“. Was ist das Besondere an diesem Projekt?
Das Projekt hat gleich mehrere Besonderheiten: Die Ausstellung wurde gemeinsam von zwei Ausstellungshäusern und Einrichtungen aus der Wissenschaft konzipiert. Dazu gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm, in dem die Ideen, Fragen und Meinungen der Bürger*innen zur Energiewende aufgenommen werden und teilweise in die Ausstellung mit einfließen. Außerdem gibt es eine umfassende Begleitforschung. Wir evaluieren einerseits, wie die Besucher*innen die Ausstellung wahrnehmen. Wir schauen uns aber auch an, wie die Energiewende in den Medien dargestellt wird, wie die Bürger*innen das Thema aufnehmen, was sie darüber wissen und ob regionale Unterschiede bestehen.
Die beiden beteiligten Ausstellungshäuser – das LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen und das Klimahaus® Bremerhaven – stehen für die zwei Pole der Energiewende: Die CO2-intensive Industrie und Energiegewinnung als Ursache des Klimawandels auf der einen Seite und die Notwendigkeit des Klimaschutzes, um auch in Zukunft ein gutes Leben auf der Erde zu ermöglichen, auf der anderen Seite. Die wissenschaftliche Expertise zur Energiewendeforschung bringen die DECHEMA und Fraunhofer UMSICHT federführend für die Kopernikus-Projekte und Carbon2Chem® mit ein. Die Begleitforschung übernimmt der Fachbereich Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation der TU Ilmenau.
Was beinhaltet das Rahmenprogramm?
Da ist zum einen das Energiemobil zu nennen. Es ist als Vorbote der Ausstellung in der jeweiligen Region unterwegs. Im Gepäck hat es verschiedene Exponate, die bereits einen kleinen Einblick in das große Themenfeld Energiewende geben. Vor allem aber will es den Besucher*innen Gelegenheit geben, ihre Vorstellungen zur Energiewende zu äußern, mit all den dazugehörigen Fragen, Wünschen oder auch Kritikpunkten. Parallel zur Ausstellung veranstalten wir Dialog- und Diskussionsformate. Das kann zum Beispiel eine „Science Bench“ in der Fußgängerzone sein oder auch ein Wissenschafts-Filmabend mit anschließendem Gespräch. Alle Formate werden evaluativ untersucht. Die Ergebnisse nutzen wir auch dafür, die Konzepte für zukünftige Veranstaltungen anzupassen. Damit hoffen wir, die wissenschaftskommunikativen Maßnahmen im Laufe des Projekts immer weiter verbessern zu können. In diesem Sinne handelt es sich um ein „lernfähiges“ Projekt.
In Bremerhaven macht die Wanderausstellung ihren zweiten Stopp, vorher war sie für vier Monate in Hattingen zu Gast. Welche Erfahrungen und Erkenntnisse bringt ihr mit in den Norden?
Bei unseren Veranstaltungen und auf der Tour mit dem Energiemobil machen wir immer wieder die Erfahrung, dass die Menschen sehr interessiert sind an der Energiewende. Aber: Sie beziehen das Thema aktuell eher auf die Frage, was sie selbst tun können. Die Menschen denken dabei vor allem an die Wärme-/Energieversorgung ihres Hauses, ihre Mobilität oder auch ihr eigenes Konsumverhalten. Die Rolle von Industrie und Wirtschaft haben sie weniger im Blick. Auch ist vielen nicht bewusst, welche technologischen Möglichkeiten für eine nachhaltige Energieversorgung es bereits gibt und in Zukunft geben könnte. Die Ausstellung stellt genau solche Technologien und Forschungsprojekte vor.
Und natürlich gibt es Menschen, die sich mit diesem schwierigen, komplexen und teilweise ja auch existentiellen Thema nicht beschäftigen möchten. „Kein Interesse“ – auch diese Rückmeldung haben wir bei unseren Veranstaltungen im öffentlichen Raum schon erhalten. Diese Menschen trotzdem zu erreichen, ist sehr schwierig, aber wichtig, wenn die Energiewende gelingen soll. In der Ausstellung erfahren Besucher*innen, welche – teilweise sehr umfassenden - Umstellungen bei den großen CO2-Produzenten in Industrie und Wirtschaft in Angriff genommen werden, um langfristig klimaneutral zu werden. Dabei lernen sie, dass nicht alles auf den Schultern der Bürger*innen liegt. Ein gemeinsames, gesamtgesellschaftliches Umdenken und Anpacken ist notwendig – und auch möglich.
Wie schafft man es, ein so komplexes, politisch hochaktuelles Thema wie die Energiewende in einer Ausstellung für die Besucher*innen (be)greifbar zu machen?
Das war für das Team der Ausstellungsmacher*innen keine einfache Aufgabe. Dieses komplexe und auch hochtechnologische Thema kann Menschen, die nicht technikaffin sind, schnell abschrecken. Wir versuchen daher, Angebote für alle zu schaffen. Einerseits werden in der Ausstellung technische Zusammenhänge erläutert. Dabei gibt es auch ansprechende Beispiele, etwa wie man CO2 als Rohstoff für Produkte wie Socken oder Sneaker nutzen kann. Andererseits schaffen wir durch museumspädagogische Angebote und das Rahmenprogramm Raum für Austausch und Gespräche. Im Rahmen des Projekts wurden zum Beispiel zwei Spiele entwickelt, die einen niedrigschwelligen Einstieg in Diskussionen zum Thema ermöglichen sollen. Die „Cards against Humanity“ werden bei uns zu „Cards against/for Energiewende“. Im Spiel „Blickwinkel“ ordnen die Teilnehmenden verschiedenste (mehr oder minder realistische) Technologien danach ein, ob diese vorstellbar und überhaupt wünschenswert sind. Damit wollen wir die Hürden, sich mit dem Thema zu beschäftigen, senken und vermeiden, dass sich nur technisch interessierte Menschen am Austausch beteiligen. Denn die gesellschaftlichen Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels betreffen uns alle.
Die Ausstellung wird bis Mitte Juni 2023 im Klimahaus® Bremerhaven gezeigt. Wie geht es danach weiter?
Für dieses Jahr können wir die Stationen schon verraten, und demnächst auch für 2024. Im Sommer werden wir im Historisch-Technischen Museum in Peenemünde gastieren, ab Herbst dann im phaeno in Wolfsburg. Bei der Wahl der Stationen haben wir versucht, unterschiedliche Ausstellungshäuser (mit unterschiedlichem Publikum) und auch verschiedene Regionen in Bezug auf die Energieinfrastruktur zu berücksichtigen.
Das Interview führte Alena Weil.