Weinschorle und Wissenschaft
Ein sommerliches Wisskomm-Format, die eigene Forschung zu Hepatitis B spannend und nachvollziehbar kommunizieren und sich als Forscher*in und Journalist*in gegenseitig gut den Ball zuspielen: Marie Lulu Salein erzählt, wie sie ihre ersten Berührungspunkte mit Wisskomm erlebt und welche Ideen sie bei der "Wissenschaft kommunizieren!" Weiterbildung entwickelt hat.
von Marie Lulu Salein
In der Sonne Weinschorle schlürfen und dabei lernen, wie die Akkumulation des Biopolymers Lignin Weinreben resistenter gegen Trockenstress machen könnte: Diese Idee hatten Anna-Maria, Annalena, Christopher und ich (Malu) bei der digitalen Spring School „Wissenschaft kommunizieren!“. An vier Vormittagen haben wir mit sieben anderen Teilnehmer*innen in die WissKomm hineingeschnuppert.
Wir stellten Fragen, übten, selbst zu kommunizieren und lernten von Profis aus unterschiedlichen Bereichen der WissKomm: von Pressearbeit in Hochschulen über Social-Media-Formate und Wissenschaftsjournalismus bis hin zur Frage, welche Schritte bei der Planung eines WissKomm-Projektes zu beachten sind.
Eine der Gruppenarbeiten drehte sich um Formate der Wissenschaftskommunikation. Aufgabe: Ein kleines Forschungsinstitut möchte über seine gentechnisch modifizierten, trockenstressresistenten Weinreben berichten. In welchem Umfeld und in welcher Form würden wir über die Weinreben, ihre Vorteile und Notwendigkeit informieren? Wen möchten wir dabei erreichen? Und wie? Klar, eine Ausstellung, einen Vortrag, Science-Slam oder Blogbeitrag kannte ich natürlich schon, aber es gibt so viele weitere WissKomm-Formate. Unser Format sollte sich an Winzer*innen und Weintrinker*innen richten. Wo trifft man Winzer*innen und Weintrinker*innen?
Bei Weinproben. Wieso also nicht Weinschlürfen und einen kleinen Vortrag über Gentechnik miteinander verknüpfen? Uns gefiel die Idee und diese Auszuarbeiten war nur eine von vielen spannenden Aufgaben für mich als Naturwissenschaftlerin und kompletter „Newbie“ in der WissKomm.
In meinem Studium der Molekularen Biotechnologie fehlt mir immer wieder die Kreativität. Ich habe in meinem Bachelorstudium zwar auch Texte geschrieben, aber immer nach einem bestimmten Schema: Protokolle, einen kurzen Essay, Bachelorarbeit. Bei biologischen Themen wie gentechnisch veränderten Pflanzen und bei medizinischen Themen bin ich Feuer und Flamme. Aber egal, wie cool die Forschung aus Expert*innenperspektive sein mag, ist es doch gar nicht so einfach, anderen die Faszination nahezubringen. Und wie das funktionieren kann, das wollte und habe ich in der Spring School kennengelernt.
Ich mache Schlagzeilen
„Ich habe den schönsten Job der Welt“, sagt Dr. Elisabeth Hoffmann, Leiterin der Presse- und Kommunikationsabteilung der Universität zu Köln. Dieser Enthusiasmus steckte mich an und so meldete ich mich freiwillig dafür, den Anfang einer Pressemeldung zu meiner Bachelorarbeit zu formulieren. Überschrift und Lead. Wie schwer kann das schon sein? Hepatitis B. Wie fange ich am besten an? Titel auf jeden Fall als letztes. Als Einstieg erstmal ein, zwei allgemeine Sätze. Bei einer Hepatits B Infektion bildet das Virus… Nee, direkt zu sehr ins Detail. Auf der Welt sterben jedes Jahr… Auch nicht, zu dramatisch. Mal um mal strich ich das Geschriebene wieder durch. So ging es nicht weiter. Ich hatte schließlich auch anderes zu tun. Meine Devise: einfach drauf los schreiben und dann alles ändern. Funktioniert mal besser, mal schlechter, aber dann habe ich immerhin etwas, das ich ändern kann. Nach dem ersten Satz fiel mir das Schreiben leicht, das mache ich gerne. Schwierig war für mich vor allem die Frage, ob und welche Fachbegriffe ich einbauen sollte (Titer oder Konzentration? Genom oder Erbinformation?). Schließlich habe ich als Wissenschaftlerin auch einen Anspruch an die fachliche Qualität des Textes. Am Ende war mein Titel: Weg von Radioaktivität: Formen des viralen Hepatitis B Genoms mittels Fluoreszenz sichtbar machen. Einerseits dachte ich, dass man durch das Wort Radioaktivität hängen bleibt, andererseits bringt es die Leser*innen erstmal auf den falschen Pfad. Also lieber doch umformulieren? Naja, irgendwo musste ich einen Punkt setzen.
Text war da, jetzt nur noch kürzen. Am Ende lag ich mit 823 Zeichen über den vorgegebenen 700. Frau Dr. Hoffmann ließ es mir durchgehen. Merke: Die kürzere Fassung ist immer arbeitsintensiver als die längere. So auch bei diesem Blogbeitrag.
3 – 2 – 1. Wir sind live!
Bei einem Rollenspiel durften oder vielmehr mussten sich einige von uns Teilnehmer*innen den Fragen der Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori stellen. Ich war aufgeregt. Laaaaaaangsam sprechen, kein ähm. Keine Fachbegriffe benutzen. Kurze Sätze. Schachtel-, also ineinander verwobene, sätze, bei denen man sich am Ende nicht mehr an den Anfang erinnern kann oder zwischendrin aufgibt, so lernte ich, galt es, so könne man sich stets sicher sein, unter allen Umständen zu vermeiden. Ich selbst kam nicht an die Reihe. Aber ich kann mir gut vorstellen, wie es bei mir gelaufen wäre: „Ähm“. Das passiert mir oft, wenn ich aufgeregt bin. Und dann hätte ich versucht, direkt bei der ersten Frage meine gesamte Forschung zu erklären. Keine gute Idee. Erstens ist das Thema viel zu komplex. Zweitens würde meine Antwort fast eine Minute dauern. Suboptimal bei einer Interviewzeit von – in unserem Fall – zweieinhalb Minuten. Wir lernten: Viel besser ist, Journalist*innen zu locken und auch mal nur mit Ja oder Nein zu antworten. „Haben Sie mit diesen Ergebnissen gerechnet?“ „Nein.“ So lässt man den Journalist*innen den Spielraum selbst zu entscheiden, in welche Richtung das Gespräch weitergehen soll. „Was haben Sie erwartet?“ oder „Warum sind die Ergebnisse überraschend?“ – mehr Hin und Her im Interview machen das Ganze nicht nur für die Journalist*innen spannender, sondern auch für uns.
Jetzt führt mich mein Masterstudium in die medizinische Forschung und ich bin gespannt darauf, das Gelernte einzubringen: beim Tutorium halten und Nachhilfe geben, wenn ich meiner Familie erkläre, was ich da eigentlich im Labor mache, oder wenn ich später wieder in der WissKomm lande – was ich mir gerade gut vorstellen kann. Ob auf der Seite der Wissenschaft oder der Seite der Kommunikation, das ist noch offen.
Die nächste "Wissenschaft kommunizieren!"-School findet vom 23. bis 26. September statt. Infos und Anmeldung