„Sprache kann eine enorme Wirkung entfalten“
„Auf den Punkt gebracht“ – unter diesem Motto rückt das Forum Wissenschaftskommunikation 2021 das Zusammenspiel von Wissenschaftskommunikation und Sprache in den Fokus. Was steckt hinter dem Schwerpunktthema? Wir haben bei den Mitgliedern des Programmbeirats nachgefragt. Den Auftakt macht Susanne Kiewitz, Referentin für Kommunikation bei der Max-Planck-Gesellschaft. Mit ihr haben wir über die Macht von Sprache und die Relevanz des Themas gesprochen.
von Sina Metz
Das diesjährige Form Wissenschaftskommunikation hat den Schwerpunkt „Wissenschaftskommunikation und Sprache“. Welche Wirkung kann Sprache entfalten?
Sprache kann in ganz unterschiedlichen Dimensionen wirken. Einerseits kann Sprache sehr subtil sein, beispielsweise wenn man Metaphern benutzt, durch die man Menschen mithilfe von Assoziationen beeinflussen kann, ohne dass sie es vielleicht merken. Und darüber sollte man sich immer im Klaren sein, wenn man kommuniziert.
Sprache kann aber auch eine enorme Wirkung entfalten. Ich habe Literaturwissenschaft studiert. In meiner Promotion beschäftigte ich mich damit, wie Bilder und Sprachbilder propagandistisch wirken konnten. Im 19. Jahrhundert trugen nationale Mythen und Symbole dazu bei, das Bewusstsein über die eigene Zugehörigkeit zu verändern und die Idee eines deutschen Nationalstaats Wirklichkeit werden zu lassen. Im Moment sieht man, dass die Tendenz zur Fiktionalisierung mithilfe von Sprache wieder extrem zunimmt. Die absichtliche oder unreflektierte Verbreitung von Fake News und Feindbildern gehört dazu, und wir alle kennen das Problem der Verschwörungstheorien. Auch dort werden uralte Bilder und Geschichten aufgerufen und neu verpackt. Donald Trump ist zwar nicht mehr auf der politischen Bühne, aber er ist jemand, der extrem erfolgreich darin ist, Leute durch Sprache zu beeinflussen. Wenn noch andere Faktoren dazukommen, können daraus Handlungen folgen. Vermutlich kann die Sprache, in deren Kultur man sich bewegt, das eigene Denken und Bewusstsein und auch Verhaltensweisen und Entscheidungen sehr stark prägen.
Wie exakt muss Sprache bei der Kommunikation von Wissenschaft sein?
Sie sollte so exakt sein, dass sie wissenschaftliche Informationen richtig wiedergibt und dabei objektiv ist. Andererseits ist es natürlich auch wichtig, Menschen mitzureißen, indem man sie persönlich oder emotional berührt. Das ist eine Gratwanderung für Kommunikator*innen.
Wir Wissenschaftskommunikator*innen sind im Prinzip auch Übersetzer*innen, die verschiedene Sprachsysteme beherrschen und zwischen ihnen vermitteln sollten. Die Wissenschaftssprache hat sozusagen ihre eigene Grammatik. In den Naturwissenschaften agiert man beispielsweise nicht nur mit Worten, sondern auch mit Formeln oder Graphen und Animationen. Aber auch die Geisteswissenschaften haben ihr Fachvokabular. Jede Wissenschaft pflegt ihr eigenes Kommunikationssystem, eine Sprache, die wir Kommunikator*innen in Alltagssprache übersetzen müssen. Gleichzeitig müssen wir überlegen, in welchem Medium wir bestimmte Themen platzieren, die dann auch wieder einen eigenen Sprachstil erfordern. Ich schreibe anders für eine Webseite als für ein gedrucktes Magazin und wieder anders für die Sozialen Medien.
Was war der Impuls zum Thema?
Beim Forum Wissenschaftskommunikation geht es darum zu reflektieren und sich auszutauschen: Wo stehen wir im Moment eigentlich? Welche neuen Herausforderungen gibt es durch aktuelle Veränderungen der Sprache für unsere Arbeit? Dass Sprache sich verändert, ist ganz normal. Im Moment gibt es da viel erkennbare Bewegung, zum Beispiel die gendergerechte Sprache oder Forderungen nach leichter und barrierefreier Sprache. Und auch die digitalen Medien verändern die Art, wie wir kommunizieren. Darin gibt es einen Hang zur Kürze und zu mehr Bildern.
Das Thema steht schon lange auf unserer Agenda, denn es ist universell und man sollte eigentlich regelmäßig darüber reflektieren. Insofern war es einfach an der Zeit, sich ihm zuzuwenden.