Salon der Wissenschaft: Ein Wisskomm-Format im Test
Der persönliche Austausch zwischen Bürger*innen und Forschenden steht beim Salon der Wissenschaft im Fokus. Wir haben das Format im Projekt Power2Change: Mission Energiewende ausprobiert – und über 20 Forschende haben mitgewirkt. Im Blog berichten wir über unsere Erfahrungen und geben Tipps für die Umsetzung des Salons.
Von Ariane Trautvetter, Katharina Sieß und Alena Weil
Industriemuseum Chemnitz: Zwischen einer Dampflok, nachgebildeten Maschinen und einem Trabi sitzen Menschen zu zweit oder zu dritt an Tischen zusammen und unterhalten sich. Einige sind so ins Gespräch vertieft, dass sie den lauten Gong kaum wahrnehmen – das Signal, dass eine neue Gesprächsrunde beginnt.
Insgesamt vier Runden umfasste der Salon der Wissenschaft, der am 6. November zum Thema “Zukunft der Energie” im Industriemuseum Chemnitz stattfand. Er war Teil des Begleitprogramms zur Ausstellung Power2Change:Mission Energiewende, die von September bis Dezember 2024 in Chemnitz zu Gast war. Beim Salon der Wissenschaft geht es darum, den Besucher*innen zu einem wissenschaftlichen Thema möglichst viele unterschiedliche Perspektiven anzubieten. Entsprechend werden Expert*innen mit verschiedenen Forschungsschwerpunkten als Gesprächspartner*innen eingeladen. Die Idee und das Konzept des Formats stammen vom Haus der Wissenschaft Braunschweig.
Neugier auf ein neues Format
Im Industriemuseum Chemnitz drehte sich alles um unterschiedliche Aspekte der Zukunftsenergie: Von erneuerbaren Energien und intelligenten Stromnetzen über Energiesysteme und Rohstoffpolitik bis hin zur Energiegerechtigkeit. Über 20 Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Fachrichtungen, Forschungseinrichtungen und Universitäten nahmen Teil und standen den rund 40 Besucher*innen Rede und Antwort. Viele der Gäste waren nicht nur aus Interesse am Thema gekommen, sondern auch neugierig auf das neue Format.
Zu Beginn der Veranstaltung hielt Jens Wolling, Professor für Empirische Medienforschung und Politische Kommunikation an der TU Ilmenau, einen Impulsvortrag zur gesellschaftlichen Akzeptanz der Energiewende. Der kurze Vortrag erwies sich als guter Einstieg ins Thema und gab einen Anlass zur Anschlusskommunikation in den Zweier-Gesprächen.
Nach einer kurzen Erläuterung des Ablaufs und des Formats starteten die Gesprächsrunden. In vier Runden à 15 Minuten hatten Besucher*innen die Möglichkeit, mit jeweils einer Person aus der Runde der Expert*innen ins Gespräch zu kommen. Die Gesprächspartner*innen konnten frei gewählt werden, Interessierte konnten sich dazu vorab in eine Liste für die jeweilige Person eintragen. Eine Wand mit Steckbriefen der Forschenden erleichterte die Entscheidung, mit wem man sich gerne unterhalten wollte. Wer erst einmal lieber nur zuhören wollte, konnte dies über Kopfhörer tun, über die einige der Gespräche übertragen wurden.
Der persönliche Austausch steht im Mittelpunkt
Die Möglichkeit, sich im 1:1-Gespräch mit Wissenschaftler*innen auszutauschen, zeichnet dieses Format aus. Besucher*innen können individuelle Fragen stellen – zur Forschung selbst, oder auch zum Karriereweg oder zur Motivation der Forschenden. So bietet das Format die Chance, die Menschen hinter der Forschung kennenzulernen, Vorurteile auf beiden Seiten abzubauen und das Vertrauen zu stärken. Forscher*innen, die bislang wenig Erfahrungen in der Wissenschaftskommunikation gesammelt haben, können den Dialog üben. Zudem können sie aus den Gesprächen Anregungen für ihre Forschung mitnehmen. Tatsächlich war dies eine Motivation der beteiligten Forschenden in Chemnitz: So berichtete eine der Wissenschaftler*innen, sie wolle „verschiedene Meinungen abseits der Wissenschaft hören.”
Viele der Besucher*innen brachten ein großes Vorwissen zum Thema Energiewende mit oder waren auch beruflich in diesem Bereich tätig. Der Kohleausstieg hat für die Region und ihre Bewohner*innen direkte Auswirkungen, darunter der Verlust von Arbeitsplätzen und die Abwanderung junger Menschen. Viele Bürger*innen sind daher bereits gut über das Thema informiert und teilweise selbst betroffen. Ein Austausch auf Augenhöhe, der Vertrauen, Respekt und gegenseitiges Verständnis schafft, ist daher umso wichtiger. Einige der Teilnehmenden berichteten zudem von kritischen Stimmen zur Energiewende, mit denen sie sich im Bekanntenkreis auseinandersetzen müssten. Die Veranstaltung diente ihnen auch als Möglichkeit, Informationen zu sammeln und somit besser für solche Gespräche gewappnet zu sein.
Der Salon der Wissenschaft ermöglichte es den Bürger*innen aber nicht nur, ihr Wissen zur Energiewende zu vertiefen, sondern auch die Vielfalt der Forschung zum Thema zu erleben. Einige berichteten auch, dass die Gespräche ihnen Hoffnung für die Zukunft gaben. So sagte etwa ein Teilnehmender: „Viele kluge Köpfe beschäftigen sich mit dem Thema. Das macht Hoffnung und Zuversicht, dass wir für alles eine Lösung finden können und werden.”
So gelingt die Veranstaltung
Der Salon der Wissenschaft ist ein Format mit einem hohen Organisationsaufwand und eine gute Vorbereitung ist essenziell. Es ist wichtig, den Veranstaltungsort und das Zielpublikum gut zu kennen. Da die Ausstellung Power2Change: Mission Energiewende bereits zuvor in der Lausitz unterwegs war, hatte das Projektteam eine Vorstellung davon, welche Themen und Fragen die Menschen in der Region bewegen. Zudem braucht es im Vorfeld und vor Ort ein gutes Briefing aller Beteiligten sowie ausreichend Personal zur Umsetzung der Veranstaltung. Eine gute Location, die optimalerweise auch zum Thema passt, schafft eine angenehme Atmosphäre und bietet im Idealfall auch Gesprächsanlässe. So wurde das Industriemuseum als Veranstaltungsort mehrfach gelobt – auch weil dieser als weniger formell und lockerer wahrgenommen wurde, als etwa eine Aula.
In Chemnitz und Umgebung sind sehr viele Hochschulen und Institute angesiedelt, die zur Energiewende forschen. Dadurch gelang es gut, viele Forschende für das Format zu gewinnen. Die hohe Zahl an beteiligten Forschenden stellt zugleich eine organisatorische Herausforderung dar. Wichtig war, vorab ein umfangreiches Briefing mit allen durchzuführen und die Beteiligten auf konkrete Gesprächssituationen vorzubereiten. Auch die Möglichkeit, dass es zu unangenehmen Situationen kommt, sollte bedacht und besprochen werden. Je nach Thema kann die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle vor Ort, an die sich Betroffene bei Problemen und Konfliktsituationen wenden können, sinnvoll sein. Herausfordernd kann auch die Zuteilung der Forschenden zu Gesprächsrunden sein: Schwierig wird es, wenn viele Besucher*innen sich für die gleiche Person interessieren. Dies kann dadurch abgefangen werden, dass mehrere Forschende eingeladen werden, die zum gleichen Themengebiet arbeiten. Auch das Angebot des Zuhörens sowie Austauschmöglichkeiten am Ende der Veranstaltung im Rahmen eines Get togethers können dieses Problem abmildern.
Es ist sinnvoll, Gesprächsfragen oder Eisbrecherfragen vorzubereiten, die im Zweifelsfall den Gesprächseinstieg erleichtern. Wichtig ist auch, im Anschluss noch einen freien Austausch zu ermöglichen, etwa im Rahmen eines informellen Get together. So erhalten alle die Möglichkeit, sich nochmal mit ihren Wunsch-Gesprächspartner*innen auszutauschen.
Der Salon der Wissenschaft ist ein innovatives Veranstaltungsformat, das den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft fördert und von dem beide Seiten profitieren. In Chemnitz zeigten sich nicht nur die Bürger*innen, sondern auch die Forscher*innen im Anschluss an die Veranstaltung zufrieden und begeistert. So lobten einige die entspannte und wertschätzende Atmosphäre, die an diesem Abend herrschte sowie das große Interesse der Besucher*innen: „Ein schönes Gefühl, dass meine Forschung für einige Menschen interessant ist und dass sie als wertvoll betrachtet wird.”
Die interaktive Wanderausstellung Power2Change: Mission Energiewende wurde im Rahmen des Verbundprojekts Wissenschaftskommunikation Energiewende entwickelt. Chemnitz war die siebte Station der Ausstellung auf ihrer Tour durch Deutschland. Rund um die Ausstellung gibt es ein umfangreiches, dialogorientiertes Rahmenprogramm.
Weitere Informationen: https://power2change-energiewende.de/