Nachgefragt bei Annika Kreikenbohm
In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen – und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.
von Simon Esser
In der achtundachtzigsten Ausgabe sprechen wir mit Dr. Annika Kreikenbohm. Sie ist Astrophysikerin, Informationsdesignerin und Wissenschaftskommunikatorin. Sie arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und erprobt verschiedene Möglichkeiten der Datenvisualisierung mit einem Fokus auf Augmented Reality und Virtual Reality.
Ein*e gute*r Kommunikator*in braucht…?
Ich denke, man braucht auf jeden Fall Spaß an der Art der Kommunikation, die man für sich wählt, Offenheit sowie Empathie für Zielgruppe und Geduld.
Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?
Als Astrophysikerin stellte ich mich den großen Fragen über unser Universum und die Menschheit. Spannend finde ich den Blick sowohl von außen auf unsere einzigartige Erde als auch nach draußen in ein unfassbar vielfältiges Universum. Darin gibt es weit mehr, als wir mit unseren menschlichen Sinnen erfahren können! Solche Themen können genauso abstrakt und komplex sein, wie die globalen Zusammenhänge der Klimakrise oder der Einfluss von Künstlicher Intelligenz. Das Gefallen daran Abstrakte und schwer verständliche Dinge durch visuelle Gestaltung, interaktive Medien und Erfahrungsräume begreifbar zu machen, führte mich schließlich zur Wissenschaftskommunikation.
Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?
Vielfältig, selbstbestimmt, digital
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator*in?
2019 habe ich zum ersten Mal eine eigene Virtual Reality Anwendung „Das (be-) greifbare Universum“ erstellt. Ich habe dazu echte Satellitendaten verwendet, um Nutzer*innen zu ermöglichen in das Röntgenuniversum einzutauchen. Daten sind für mich etwas sehr Faszinierendes. In allen Fällen stellen sie ein Rätsel dar. Und astronomische Daten sind dazu auch noch direkte (Licht-) Spuren der weit entfernten kosmischen Objekte! Es war ein schönes Erlebnis, wenn Besucher*innen der Ausstellung, die die VR-Anwendung ausprobierte, staunende „WOW“-Erlebnisse hatten, wenn sie zum ersten Mal im Universum schweben. Die Tatsache, dass es echte Daten waren, interessierte viele besonders und es entstanden schöne Gespräche über die Röntgenastronomie.
Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?
Bisher hatte ich glücklicherweise noch kein Desaster-Erlebnis.
Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?
Meine Eigenschaft zu wenig zu Trinken. Das führt immer wieder zu Kopfschmerzen. Außerdem kann ich schwer zu neuen und spannenden Dingen nein sagen. Ich nehme mir oft vor, weniger Projekte gleichzeitig zu jonglieren und finde mich dann doch wieder in der gleichen Situation.
Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?
Mit Ernst Peter Fischer. Seine Bücher zu Einstein, Picasso and Heisenberg fand ich sehr inspirierend. Außerdem mit Catherine D'Ignazio und Lauren F. Klein, die Autorinnen von „Data Feminism“. Ich möchte mit ihnen darüber sprechen, wie wir Unsicherheiten und Datenlücken in Forschungsergebnissen besser und diverser kommunizieren.
Ihre Lieblingswissenschaft?
Die Astrophysik ist eine wunderbare Wissenschaft. Aber ich kann mich sehr leicht für viele wissenschaftliche Fragen begeistern: von Neurowissenschaften, über Klimawissenschaften, die den Zustand der Erde erforschen, zu Informatik, Philosophie und Geisteswissenschaften, die sich mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen und damit, was das menschliche Bewusstsein ist. Ich denke, es gibt viele Themen, über die es sich zu reden lohnt!
Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?
Da fällt mir aktuell keins ein. Manche Themen sind sehr kontrovers oder wirken auf den ersten Blick trocken. Aber bei genauerer Betrachtung findet man immer spannende Kommunikationsprojekte.
Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?
Einen Erlebnisraum, indem wir die Strukturen der Dunklen Materie wahrnehmen können. Das Projekt schwebt mir schon sehr lange vor. Zum Beispiel als VR Umgebung, indem wir die Verteilung dunkler Materie durch Vibration erspüren und dadurch nach und nach das kosmische Netzwerk sichtbar machen können. Oder ein scheinbar leerer Raum, bzw. ein Raum mit Leuchten, indem wir mittels einer Augmented-Reality die unsichtbaren Strukturen erleben können. Die Datensätze dafür gibt es bereits öffentlich. Wer macht mit? Und wenn wir schon dabei sind, können wir gleich darüber nachdenken, es inklusiv zu gestalten.
In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?
Momentan berate ich hauptberuflich Dozierende an der Uni darin, wie sie ihre Hochschullehre durch immersive Medien (Augmented Reality und Virtual Reality) digital gestalten können und organisiere Ideen-Workshops, um in transdisziplinären Teams innovative Ansätze zu entwickeln. Ich kann mir das auch gut in anderen Kontexten vorstellen: als Organisatorin von offenen Ideenlaboren zum Beispiel. Andernfalls würde ich wohl im Bereich „Data Science for (Social) Good“ arbeiten und mich der Frage widmen, wie wir mittels Datenanalyse und Visualisierung gemeinnützige Organisationen darin unterstützen können, gesellschaftliche Themen (von KI bis Inklusion) zu bearbeiten.
Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …
partizipativ, global und interaktiv. Mit spannenden Formaten und Projekten, die das Potenzial von AR, VR und Datenvisualisierungen ausschöpfen, um globale Kontexte sowie Forschungsprozesse und deren offene Fragen besser zu vermitteln, um so Desinteresse und Misstrauen in der Bevölkerung zu begegnen.
Strukturell gesehen ist sie Gegenstand der Hochschullehre, sodass Studierende von Anfang an Kompetenzen in der Wissenschaftskommunikation erlangen. Und es ist ein etablierter Bestandteil an Forschungseinrichtungen, das heißt kommunizierende Wissenschaftler*innen erhalten mehr Anerkennung und Ressourcen für die Kommunikationsprojekte und es gibt mehr feste Stellen für Wissenschaftskommunikation.
Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?
Die globale Zusammenarbeit.
Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?
Meine Vorstellung war sehr von Filmen und Geschichten geprägt: technisch, urban, mit Robotern, fliegenden Autos oder Raumschiffen. Ich finde die heutige Zukunftsvision von Kreislaufgesellschaften, von grünen Städten und nachhaltigen Lebensweisen viel schöner und finde es sinnvoll, daraufhin zu arbeiten.
Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?
In der Natur und beim Capoeira spielen. Capoeira ist eine Kampfkunst, die Musik, Akrobatik und Kampfbewegungen vereint. Im Capoeira Spiel bin ich vollständig präsent und vergesse den Alltag. Manchmal gehe ich auch in den Wald und beobachte die Natur. Ich stelle mir zum Beispiel die Perspektive von Bäumen vor, wie sie da den ganzen Tag lang stehen und einfach nur da sind. Irgendwie vermittelt das eine wunderbare innere Ruhe.
Kolleg*innen helfe ich gerne bei…/Ich stehe gerne Rede und Antwort zu…?
Ich helfe gerne, wo ich kann, besonders effektiv vermutlich bei Fragen rund um Visualisierungen, immersive Medien, Konzeptentwicklung oder Konfliktlösung.
Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie dieser Person gerne stellen?
Den Gründern des SciCom Labs aus Kiel. Ich würde sie gerne fragen, wie sie zu ihrem Studio und ihrem Netzwerk gekommen sind.
Annika Kreikenbohm ist promovierte Astrophysikerin und arbeitet am Lehrstuhl für Physik und ihre Didaktik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Sie ist Beraterin und Entwicklerin für digitale Innovationen in der Hochschulbildung beim Zentrum für wissenschaftliche Bildung und Lehre (ZBL) im Projekt WueDive. Sie arbeitet freiberuflich als Informationsdesignerin und Wissenschaftskommunikatorin. Im Rahmen des Hochschulwettbewerbs 2023 ist sie an den Projekten „Radio.Galaxie – Mach Dir Dein eigenes Bild“ und „Virtuelle Expedition zum Schwarzen Loch“ beteiligt.