Komplexer Stoff: Das war der dritte Hack Your Fashion Online-Hackathon
Mode aus biobasierten Materialien: Darum ging es beim dritten Online-Hackathon von Hack Your Fashion - diesmal mit einem festen Programm, aber nach wie vor ohne einfache Antworten.
von Elisabeth Tauscher
Was kann man aus Pilz Leder herstellen? Taugen Hosen aus Hanf und T-Shirts aus Orangenschalen wirklich als umweltfreundliche Alternativen zu konventioneller Mode? Und wie kann man mit Lebensmittelresten den Kleiderschrank aufpeppen? Um solche Fragen ging es beim dritten Online-Hackathon unseres Projekts Hack Your Fashion. Unter dem Motto "Farben, Fasern, Forschung, Fashion – Biobasierte Materialien in Theorie und Praxis" gab es ein vielfältiges Angebot kostenloser Workshops rund um biobasierte Mode, also Mode aus nachwachsenden Rohstoffen.
Festes Programm aus Wissenschaft und Modehacks
Auf dem Programm standen sowohl wissenschaftliche Vorträge und Diskussionsrunden als auch praktische Hands-on-Veranstaltungen. In den wissenschaftlichen Workshops stellte zum Beispiel ein Kelheimer Unternehmen seine innovativen Viskosefasern vor, die aus Cellulose statt aus Erdöl bestehen und damit aus einem nachwachsenden statt aus einem fossilen Rohstoff. Eine Berliner Designerin berichtete von Portemonnaies, Mützen und Quilts, die sie – auf den Erkenntnissen ihrer Masterarbeit beruhend und an eine fast vergessene Tradition anknüpfend – aus einem Pilz, dem Zunderschwamm, herstellt. In den praktischen Workshops konnten die Teilnehmenden dagegen biobasierte Modehacks in den eigenen Küchen ausprobieren. Beispielsweise färbten sie Stoffe farbecht mit Lebensmittelresten wie Zwiebelschalen und Avocadokernen oder lernten, wie man mit Gemüse bunte Muster drucken kann.
Sowohl die wissenschaftlichen als auch die praktischen Programmpunkte wurden als virtuelle Live-Workshops realisiert. Für Michael Siegel, der gemeinsam mit Lisa Weißmann von der HTW Berlin als Projektmanager für Hack Your Fashion verantwortlich ist, liegt in dieser Mischung eine der großen Stärken des dritten Online-Hackathons. Bei der ersten Ausgabe im vergangenen Juni wurde vor allem asynchron kommuniziert – mit zahlreichen Online-Tutorials, einem eigenen Instant-Messaging-Kanal und dem Versand eines Toolkits, das die Teilnehmenden für Bastelarbeiten nutzen konnten. Beim zweiten Online-Hackathon gab es ein fixes Wochenendprogramm mit zahlreichen Inputs und Diskussionen rund um das Thema "Global oder regional?" In der dritten Runde habe man nun die Stärken der beiden Vorgänger kombiniert – in einer strukturierten Mischung aus wissenschaftlichen Themen und Hands-on-Angeboten.
Instagram wichtiger als die Homepage
Mit über 170 Anmeldungen zog der dritte Online-Hackathon noch einmal deutlich mehr Teilnehmende an als die letzte Ausgabe. Auch die einzelnen Workshops waren mit bis zu 70 Teilnehmenden sehr gut besucht, freut sich Siegel. Für ihn haben sich die Neuerungen – also das feste Programm mit wissenschaftlichen und praktischen Live-Workshops – damit ausgezahlt. Aus dem Erfolg des Hackathons schließt er außerdem, dass es eine gute Idee war, die Online-Veranstaltungen überwiegend um 17 Uhr anzusetzen: "Unter der Woche passt das vielen Leuten gut zwischen Arbeit und Abendessen". Dabei waren die wissenschaftlich ausgerichteten Veranstaltungen mindestens genauso beliebt wie Drucken oder Modezeichnen. Eine schöne Beobachtung: Bei den Tüftel-Workshops saßen des Öfteren Familien oder WGs gemeinsam vor dem Bildschirm. Das freut Siegel besonders, da sie aus dem Hackathon so "doch ein soziales Event machten".
Jede Menge soziale Interaktion rund um den Hackathon gab es auf Instagram. Mit @fashionhackdays hat Hack Your Fashion einen eigenen Insta-Account. "Für uns ist der Insta-Kanal sehr sinnvoll", stellt Siegel fest. Um Interessierte über den Hackathon zu informieren, sei er sogar wichtiger gewesen als die Homepage des Projekts. Während des Hackathons haben immer wieder Teilnehmende Beiträge zu den Veranstaltungen gepostet, beispielsweise Zusammenfassungen der Vorträge oder Stories mit Fotos ihrer gefärbten und bedruckten Stoffe. Auch die Workshop-Leiter*innen waren größtenteils auf Instagram präsent und konnten so in die Kommunikation eingebunden werden. Wie Siegel erklärt, hängt die Resonanz des Hackathons auf Instagram damit zusammen, dass es dort rund um Hashtags wie #SustainableFashion eine sehr aktive Community zum Thema nachhaltige Mode gibt.
Mit Halbwissen aufräumen
Gerade in dieser Community kursiert laut Siegel aber auch viel Halbwissen. Zum Beispiel würde in Beiträgen zum Thema nachhaltige Mode immer wieder eine Studie zitiert, die angibt, dass sich jede*r Deutsche im Jahr 50 bis 60 neue Kleidungsstücke kaufe. Jedoch würden diese Angaben lediglich auf spontanen Schätzungen der Konsument*innen beruhen – das muss nicht falsch sein, methodisch seriöser und wissenschaftlich belastbarer wäre es aber, wie in sogenannten Wardrobe-Studien üblich, sich vor den Kleiderschrank zu stellen und zu zählen. Als besonders nachhaltige Alternativen zu konventioneller Mode würden auf Instagram, darüber hinaus, häufig Produkte wie Hosen aus Hanf oder T-Shirts aus Orangenschalen unkritisch angepriesen.
Vor diesem Hintergrund betont Siegel das Ziel des Projekts Hack Your Fashion: Die Hackathons wollen nicht nur Spaß am Anpacken vermitteln, sondern den Diskurs um eine wissenschaftliche Perspektive jenseits von reinen Wohlfühl-Lösungen bereichern. Daher freute er sich beim dritten Hackathon unter anderem über einen Vortrag von Kai Nebel von der Hochschule Reutlingen, der einige solcher scheinbar nachhaltigen Trends kritisch-konstruktiv in den Blick nahm und Alternativen zeigte. "Auf Fragen zum Thema biobasierte Mode – und wie so oft, wenn es um Nachhaltigkeit geht – gibt es keine einfachen Antworten", schließt Siegel. "Bei unseren Hackathons geht es auch darum, die Komplexität des Themas zu vermitteln, und das wird von der Community gut angenommen."
Hack Your Fashion ist ein gemeinsames Projekt von Wissenschaft im Dialog und der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin im Wissenschaftsjahr 2020|21 – Bioökonomie. Mehr zum Projekt erfahrt ihr auf www.hackyourfashion.de. Infos zu aktuellen Veranstaltungen sowie Tutorials und Wissen über nachhaltige Mode gibt es auf dem Instagram-Kanal des Projekts.