Wissenschaftskommunikation in politisch aufgeladenen Zeiten

Fünf Personen, Liliann Fischer, Vincent Schmid-Loertzer, Anne-Sophie Behm-Bahtat, Julia Panzer und Bastian Kremer, stehen vor einem Banner mit der Aufschrift PCST The Global Network for Science Communication
© WiD
20. Juni 2025
Ein Besuch auf der PCST 25

Die PCST 2025, die „international conference of the Public Communication of Science and Technology“, stand unter dem Motto Wissenschaftskommunikation für einen positiven Wandel nutzen: Übergänge, Traditionen und Spannungen erkunden. Unsere Kolleg*innen waren dabei und schildern ihre persönlichen Eindrücke.

von Anne-Sophie Behm-Bahtat, Liliann Fischer, Julia Panzer, Vincent Schmid-Loertzer und Bastian Kremer

„Wie ein Klassentreffen, nur viel größer“ - das ist das Gefühl, das sich alle zwei Jahre auf der PCST einstellt. So auch dieses Jahr, als über 600 Teilnehmende aus aller Welt in Aberdeen in Schottland zusammenkamen, um sich über aktuelle Herausforderungen in der Wissenschaftskommunikation auszutauschen. Unter dem Motto Using Science Communication to effect positive change: exploring transitions, traditions and tensions ging es um die großen Fragen, die auch die Wissenschaftskommunikation in Deutschland aktuell beschäftigen: den Einsatz von KI, Partizipation und Beteiligung an Forschungsprojekten, Vertrauen in die Wissenschaft und Fragen zur Qualität in der Wissenschaftskommunikation. Ein Alleinstellungsmerkmal der Konferenz ist, dass sich dort Forschende und Praktiker*innen der Wissenschaftskommunikation vernetzen, austauschen und gemeinsame Ideen entwickeln. Die Verbindung von Forschung und Praxis der Wissenschaftskommunikation ist eine Herausforderung, die wir auch in Deutschland sehen und dort schon länger adressieren, nicht zuletzt in unserer Transfer Unit Wissenschaftskommunikation, die wir gemeinsam mit der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften gefördert vom Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt durchführen. Auf der PCST sehen wir immer wieder, wie effektiv eine solche enge Verbindung für eine gute Wissenschaftskommunikation ist.

Neue Ideen und Anregungen im internationalen Austausch

Für die Impact Unit von WiD startete die PCST mit einem Pre-Conference-Workshop. Liliann Fischer, Julia Panzer und Vincent Schmid-Loertzer diskutierten zusammen mit 30 internationalen Forschenden und Kommunikator*innen zentrale Aspekte von strategischer Planung, Zieldefinitionen, Evaluation und geeigneter Indikatoren zur Zielerfassung in der Wissenschaftskommunikation. Besonders spannend war die Erkenntnis, dass die frühzeitige Planung von Evaluationen nicht nur der späteren Evaluation dient, sondern auch ein wertvolles Instrument sein kann, um Ziele und Zielgruppen noch einmal kritisch zu hinterfragen und zu schärfen - so werden Projektplanung und Evaluation zu einem reflektiven Prozess.

Auch auf der Hauptkonferenz war das Insights-Programm mit einigen Beiträgen vertreten, die Einblicke in unsere vielfältige Arbeit gaben. Dabei war es für uns besonders spannend, unsere Arbeit in einem internationalen Kontext zu präsentieren und dabei neue Ideen und Anregungen zu bekommen. Wir konnten Vorträge zu den Themen KI, Vertrauen in die Wissenschaft, öffentlicher Beteiligung sowie Standardisierung von und Barrieren für Evaluation einbringen und spannende Diskussionen anregen.

Für uns gab es insbesondere drei große Themen, die sich durch die Konferenz zogen, und die uns nachdenklich gemacht haben. Alle drei sind eng miteinander verwoben: aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, Partizipation und Beteiligung in einem internationalen Kontext sowie Inklusion, beziehungsweise die tatsächliche Öffnung der Wissenschaft(-skommunikation) gegenüber Gruppen abseits der üblichen Verdächtigen.

Was soll Wissenschaftskommunikation im Kontext aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen leisten?

In Deutschland diskutieren wir seit längerem über die Frage, was Wissenschaftskommunikation im Kontext aktueller gesellschaftlicher Herausforderungen leisten kann und sollte, aber auch, wo ihre Grenzen liegen. Wir fragen uns, ob wir sie mit unseren Ansprüchen manchmal nicht auch überfrachten. So hat es Elisabeth Hoffmann letztes Jahr in ihrer Keynote auf der Wisskomm Connected Konferenz formuliert (nachzulesen in einem Beitrag bei TableMedia). Auf einer Konferenz wie der PCST wird aber sehr deutlich, dass es auch ein Privileg darstellt, diese Fragen überhaupt stellen zu können. Es wurde sehr still im Raum, als Kolleg*innen aus den USA berichteten, wie sie jeden Morgen in ihr Postfach schauen, um zu sehen, ob es ihre Projekte oder Institute überhaupt noch gibt. Andere hatten ihre Jobs bereits verloren und waren auf eigene Kosten nach Aberdeen gereist. Für diese Kolleg*innen, die in einem so hoch politisierten und unsicheren Umfeld agieren, wird die Frage, was Wissenschaftskommunikation leisten kann und wie politisch sie sein darf, nebensächlich. Wissenschaftskommunikation wird zu einer Möglichkeit der Mobilisierung, zu einem zentralen Gegenpol einer anti-wissenschaftlichen politischen Macht und zu einer wichtigen Identifikationsquelle für Menschen, die sich in der Wissenschaftskommunikation engagieren. Wir halten es für absolut richtig und wichtig, dass wir uns in Deutschland der Frage stellen, was wir von Wissenschaftskommunikation erwarten können und wollen. Die Antworten auf diese Frage, werden jedoch vom jeweiligen politischen Umfeld bestimmt und beeinflusst.

Nicht mehr sondern ernstgemeinte Beteiligung

Ähnlich verhält es sich mit der Frage von Partizipation und Beteiligung. In Deutschland diskutieren wir schon länger über die Bedeutung von Partizipation für die Ermächtigung von Bürger*innen einerseits und für die Sicherstellung der gesellschaftlichen Relevanz von Wissenschaft und Forschung andererseits. Anne-Sophie Behm-Bahtat diskutierte in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer Reihe von Bürger*innendialogen zur öffentlichen Beteiligung an Wissenschaft und Forschung im Rahmen unseres EU-Projekts POIESIS. Die Ergebnisse zeigten, dass viele Bürger*innen in den Projektländern von POIESIS, Dänemark, Deutschland, Großbritannien, Portugal und Frankreich, den Ruf nach „immer mehr Beteiligung“ kritisch sehen und sich statt „mehr“ vor allem konstruktive und ernstgemeinte Formate der Beteiligung wünschen. Wie diese genau aussehen können, war ebenfalls ein prominentes Thema auf der PCST. Dabei wurde deutlich, dass je nach Land und Kontext die Herausforderungen auch im Bereich Partizipation ganz unterschiedlich aussehen können: von aktiver politischer Repression partizipativer Projekte, über das Fehlen von Fördergeldern bis hin zu Sprachbarrieren, die einer tiefergehenden Partizipation im Wege stehen. Erfahrungsberichte verdeutlichten für, wie wichtig es ist, sich der eigenen Kontexte bewusst zu werden, und Empfehlungen auch nur für diese zu formulieren.

Zuhören ist essentiell

Ein drittes für uns sehr zentrales Thema auf der Konferenz waren Fragen nach Inklusion oder Beteiligung von Gruppen, die traditionell von Wissenschaftskommunikation nicht angesprochen oder sogar aktiv ausgeschlossen werden. Wieder einmal wurde deutlich, wie wichtig es ist, nicht über, sondern mit solchen Gruppen zu sprechen und ihnen selbst einen Raum und eine Stimme zu geben. Wir können und dürfen nicht voraussetzen, dass jede Person ein intrinsisches Interesse an Wissenschaft hat oder haben sollte. Um mit Communities zu arbeiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, tatsächlich einen Vorteil aus Wissenschaftskommunikation ziehen zu können, ist die Auseinandersetzung mit den Communities selbst und insbesondere das Zuhören absolut essentiell. Gleich mehrere Vorträge und Keynotes betonten die Bedeutung dieses bewussten Umgangs mit Zielgruppen. Mamoeletsi Mosia machte in ihrer Keynote eindrucksvoll deutlich, vor welchen Herausforderungen die Wissenschaftskommunikation in einem Land wie Südafrika steht, nicht zuletzt angesichts 15 offizieller Sprachen, in denen vielfach keine eigenen Begriffe für wissenschaftliche Konzepte existieren. Gekoppelt mit großen Bildungsdisparitäten und geografischer Distanz vieler Communities von den Zentren für Wissenschaft und Forschung erschwert das den Kontakt zwischen Wissenschaft und nicht-wissenschaftlichen Zielgruppen. Diesen trotzdem herzustellen, wäre nur möglich, wenn man den Menschen zuhört, ihre Bedarfe ernstnimmt und mit ihnen gemeinsam eine Form des Austauschs entwickelt. Julie Ann Fooshee berichtete praxisnah und aus eigener Erfahrung über Barrieren und Möglichkeiten, diese abzubauen - vor allem bei Live Veranstaltungen. Oft wird eine Teilnahme von Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Beeinträchtigungen schon bei der Anmeldung erschwert, wenn zum Beispiel nicht klar ist, wie die Veranstaltungsorte aussehen, ob es Plätze gibt, an denen ein Rollstuhl platziert oder ob ein Assistenzhund mitgebracht werden kann. Das Plädoyer ist klar: Inklusion und Barrieren bei Veranstaltungen müssen noch viel stärker als bisher mitgedacht und transparent gemacht werden.

Freude über einen Platz auf der Shortlist des PCST science communication award

Aus der PCST Konferenz gehen wir inspiriert und dankbar. Dankbar für die vielen neuen Ideen, die Reflexion und die tollen Kolleg*innen, mit denen wir hoffentlich noch lange zusammenarbeiten können. Wir gehen auch nachdenklich, denn wir sehen die vielfältigen Herausforderungen, denen Wissenschaftskommunikation aktuell ausgesetzt ist, durchaus als besorgniserregend an. Die PCST stand unter dem Motto: Using science communication to effect positive change. Und dieses positive Potenzial der Wissenschaftskommunikation dürfen wir nicht unterschätzen. Auch diese Erkenntnis hat sich durch die ganze Konferenz gezogen: Wissenschaftskommunikation kann einen Unterschied machen und dafür ist diese internationale Community ganz entscheidend. Zum Abschluss hat uns besonders gefreut, dass unsere Programmleiterin Liliann Fischer in der Abschlusszeremonie der Konferenz mit einem Platz auf der Shortlist des PCST science communication award ausgezeichnet wurde. Wir freuen uns über die internationale Anerkennung für unsere Arbeit und auf viele weitere Kooperationen und Konferenzen.