Nachgefragt – bei Klaus Russell-Wells
In der Reihe „Nachgefragt“ stellen wir in loser Folge Menschen vor, die in der Wissenschaftskommunikation arbeiten. Mit 17 Fragen - und 17 Antworten, mal ernsthaft, mal humorvoll.
von Sina Metz
In der Ausgabe Zweiundsechszig löchern wir Klaus Russell-Wells. Auf seinem YouTube-Kanal „Joul“erklärt er, wie wir nachhaltiger heizen und uns fortbewegen können und welche Veränderungsprozesse die Energiewende für unsere Gesellschaft bringt.
Ein*e gute*r Kommunikator*in braucht…?
Die Fähigkeiten, zu vereinfachen ohne zu stark zu verfälschen und Fachsprache in Alltagssprache zu übersetzen.
Was hat Sie dazu bewogen, in der Wissenschaftskommunikation zu arbeiten?
Die Diskrepanz zwischen den in der Fachwelt bekannten Ansätzen und Möglichkeiten, die Klimakrise zu anzugehen, und dem, was davon tatsächlich gesellschaftlich/politisch diskutiert und umgesetzt wird: Wir machen nicht im Ansatz das, was wir könnten und was auch angemessen wäre.
Ich bin der Meinung, dass Klimawandel und Energiewende die größten Themen unserer Generation sind und alle Menschen etwas angehen. Nur wenn wir alle wissen, worum es geht und was grundsätzlich möglich ist, werden wir gemeinsam effektiv etwas tun. Leider richtet sich der überwiegende Teil der Informations- bzw. Wissensangebots zu diesen Themen jedoch an Fachleute oder Menschen mit starkem Vorinteresse. Aber was ist mit allen anderen? Die werden nicht besonders gut angesprochen und selbst wenn, dann bloß sehr oberflächlich.
Das hat mich motiviert, diese spannenden Themen auf eine verständliche und kreative Art in Form von Webvideos zu behandeln. Tiefgreifender, komplexer und fordernder als in vielen Alltagsmedien üblich, aber gleichzeitig auch einfacher und zugänglicher als in Wissenschafts- und Fachmedien. Und zwar so, dass man nicht erst gezielt danach suchen muss (was ja Vorinteresse voraussetzt), sondern die Videos den Zuschauer*innen online vorgeschlagen werden.
Ihr Arbeitsalltag in drei Schlagworten?
Vorproduktion. Dreh. Postproduktion.
Was war Ihr schönstes Erlebnis als Kommunikator*in?
Kommentare wie, „wegen deiner Videos hab ich mich für ein Ingenieursstudium entschieden“ :)
Was war Ihr größtes Kommunikationsdesaster?
Das war entweder der Vortrag am Morgen nach dem Weinfest oder dieser eine Onlinevortrag, bei dem ich 5 Minuten vorher meinen WLAN-Router nochmal neu gestartet hab und er dabei komplett abgestürzt ist (fehlerhaftes Update, wie ich am Tag drauf erfahren habe). Ich musste dann über meinen mobilen Hotspot streamen und mich entscheiden, ob die Teilnehmer*innen mich hören oder meine Folien sehen können.
Nach 45 Minuten waren trotzdem noch 40 von 60 Leuten dabei – davor hab ich großen Respekt! Als Teilnehmer*in hätte ich sicher früher aufgegeben.
Welche Ihrer Eigenschaften stört Sie im Arbeitsalltag am meisten?
Oft bin ich zu unkonzentriert oder unfokussiert und schiebe Entscheidungen vor mir her.
Mit welcher (historischen) Person würden Sie gerne essen gehen?
Nicht gerade „historisch“, aber super interessant und leider zu früh gegangen: Roger Willemsen.
Ihre Lieblingswissenschaft?
Thermodynamik (auch wenn ich da eigentlich ein Noob bin). Aber darin liegt einfach die Grundlage dafür, warum viele Dinge so funktionieren, wie sie es tun, was ich einfach total faszinierend finde.
Welches Forschungsthema würden Sie äußert ungern kommunizieren?
Themen, die „wissenschaftlich“ wirken, aber es eigentlich nicht sind. Und solche, von denen ich weiß, dass ich sie eigentlich nicht gut genug kenne.
Ohne Hindernisse wie Geld oder Zeit: Welches Projekt würden Sie gerne umsetzen?
Hmm. Ich würde einfach mehr Videos für meinen eigenen Youtube-Kanal Joul produzieren. Die Zeit ist der limitierende Faktor.
In welchem Bereich würden Sie gerne arbeiten, wenn nicht in der Wissenschaftskommunikation?
Im Ingenieurwesen natürlich! Entweder Umwelttechnik (Wasserversorgung, Umweltschutz, Recycling) oder Energietechnik & -wirtschaft. Beides ist superspannend!
Wissenschaftskommunikation im Jahr 2030 ist …
Völlig selbstverständlich. Auch in Politikjournalismus, auf Privatsendern und allen Social Media-Plattformen.
Was halten Sie für die größte Errungenschaft der Wissenschaftsgeschichte?
Vermutlich die wissenschaftliche Methode und Prozesse wie Peer-Reviews. Der nächste Schritt in diesem Kontext wäre aus meiner Sicht, die Wissenschaft jetzt öffentlich noch besser zugänglich zu machen. Also Open Data und Open Access.
Wie haben Sie sich als Kind die Zukunft vorgestellt?
Ich lebe im Wald in einer Hobbithöhle und bin von Beruf Besucher: Ich besuche ältere Menschen, die mir ihre Geschichten von früher erzählen können. Im Gegenzug bekomme ich dafür Kuchen und Kekse. Win win.
(Ich finde die Idee eigentlich immer noch gut.)
Wie bekommen Sie bei Stress am besten Ihren Kopf frei?
Am liebsten beim Kochen. Oder Meditation (hilft mir aber nur, wenn ich das regelmäßig mache). Und wenn etwas mehr Zeit am Stück übrig ist: Trekkingtouren durch Schottland oder Lappland.
Kolleg*innen helfe ich gerne bei…
Wissenschaftskolleg:innen bei Grafiken, Videos und Medienfragen. Medienkolleg:innen bei Wissenschafts-, Energie-, und Umweltthemen.
Und generell allen Menschen bei allem, was man schon immer nicht wissen wollte.
Wem würden Sie den Fragebogen gerne schicken und welche Frage würden Sie dieser Person gerne stellen?
Weil ja bereits viele der Social-Media-Kommunikatoren hier waren, würde ich den Ball mal in Richtung der Öffentlich-Rechtlichen spielen und Ralph Caspers und Korinna Hennig vorschlagen. Ralph, weil ich seine Arbeit und seinen Humor sehr bewundere und ich gern wüsste, wie bzw. nach welchem System er seine Beiträge angeht, und Korinna, weil ich auch ihre Arbeit im Coronavirus-Update sehr schätze und mich interessiert, wie dieses Projekt vielleicht den Blick des NDR auf Wissenschaftsformate verändert hat.
Klaus Russell-Wells
Klaus Russell-Wells ist Ingenieur für Energie- und Umwelttechnik. Für seinen Youtube-Kanal „Joul“ dreht er Videos zur Energiewende – über Strom und Energiespeicher, Elektromobilität und Veränderungsprozesse in unserer Gesellschaft. Er twittert unter @joulfreunde.