Kein Transfer ohne Kommunikation
Am 4. September wurde im Fraunhofer-Forum zunächst im Rahmen eines geschlossenen Multistakeholder-Dialogs und dann in einer öffentlichen Podiumsdiskussion darüber diskutiert, wie Kooperationen akademischer und industrieller Forschung konstruktiv und nachhaltig gestaltet werden können.
von Simon Esser
Am 4. September wurde im Fraunhofer-Forum zunächst im Rahmen eines geschlossenen Multistakeholder-Dialogs und dann in einer öffentlichen Podiumsdiskussion darüber diskutiert, wie Kooperationen akademischer und industrieller Forschung konstruktiv und nachhaltig gestaltet werden können.
Verschiedene Perspektiven auf Transfer zusammentragen
Für den Multistakeholder-Dialog kamen 18 Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, um Gelingensbedingungen für Kooperationen akademischer und industrieller Forschung aus verschiedenen Perspektiven zu identifizieren. Die Expert*innen waren u.a. Forschende aus Unternehmen und Hochschulen, die selbst in Kooperationen involviert sind, Kommunikationsverantwortliche aus Unternehmen und Hochschulen sowie Verantwortliche für Kooperationen aus Unternehmen, Hochschulen, außeruniversitärer Forschung und Forschungsfördereinrichtungen.
Die Teilnehmer*innen diskutierten gesellschaftliche Erwartungen und Vorbehalte gegenüber Kooperationen, gemeinsame Sprachen und Verständigung zwischen Kooperationspartner*innen sowie notwendige strukturelle Rahmenbedingungen für das Gelingen von Kooperationen.
Daraus leiteten sie Handlungsempfehlungen ab. Einige der wichtigsten Themen dabei waren: Transparenz sowohl innerhalb der Kooperationen zu schaffen, als auch Kooperationen nach außen transparent zu machen, die Schaffung von Begegnungsräumen, in denen insbesondere junge Forscher*innen sowohl die akademische als auch die industrielle Forschungswelt kennenlernen und sich austauschen können, sowie eine Verbesserung der Anreizsysteme für Kooperationen zwischen akademischer und industrieller Forschung. Ausführlich diskutiert wurden auch die zahlreichen administrativen Hürden in der Verbundforschung.
Diskussion über die Stärkung von Transfer
Am Abend wurde das Thema Kooperationen akademischer und industrieller Forschung in einer Podiumsdiskussion weiterverfolgt und auch die gesellschaftliche Rolle von Transfer in den Blick genommen. Hier einige Impulse aus der Diskussion:
Monika Landgraf, Bereichsleiterin Wissenschaftskommunikation der Fraunhofer-Gesellschaft und Sprecherin des Präsidenten, kritisierte das Lagerdenken: Grundlagenforschung, anwendungsorientierte Wissenschaft und industrielle Forschung sollten stärker zusammenarbeiten. Transfer werde oft mit Ausgründung gleichgesetzt, dabei gebe es auch viele andere Formen. Bei der Kommunikation ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse erlebt sie Wissenschaftler*innen heute deutlich motivierter als noch vor 20 Jahren. Dennoch brauche es stärkere Anreizsysteme: Transferwissen sollte z.B. stärker in Berufungsverfahren berücksichtigt werden.
Dr. Volker Meyer-Guckel, Generalsekretär des Stifterverbandes, forderte, Transfer stärker in den Campus zu integrieren. Transfer sei angesichts der technologischen Entwicklung und der Digitalisierung längst allgegenwärtig, Disziplinen stünden nicht mehr für sich allein. Durch aktiven Transfer könnten Transformationen angestoßen werden. Die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Wissenschaft fördere schnelle Innovationen. Volker Meyer-Guckel fordert, die duale Promotion zu skalieren. Und wünscht sich, dass die Hochschulen offener und stolzer über Transfer berichten: In Hochschulmagazinen lese er beispielsweise viel zu wenig darüber. Er wünscht sich eine Wisskomm, die sich am tatsächlichen Bedarf orientiert: Bei der Kommunikation von Transferangeboten seitens der Hochschulen bleibe oft nebulös, an wen genau sie sich richten. Eine produktive Wendung könnte sein, vom Problem auszugehen, das die Botschafter aus der Wirtschaft formulieren, und dann den Bedarf an Hochschulen zu kommunizieren.
Prof. Stefanie Molthagen-Schnöring, Professorin für Wirtschaftskommunikation und Vizepräsidentin für Forschung und Transfer, Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, beobachtet, dass Forscher*innen heute nicht mehr “Fachidiot*innen” sein wollen, sondern aktiv Wissen aus anderen Disziplinen suchen. Zwar sei die Industriepromotion bereits verbreitet und anerkannt. Schwierigkeiten sieht sie hingegen, wie auch die Teilnehmenden des Multistakeholder-Dialogs am Nachmittag, in der Postdoc-Phase: Derzeit stiegen Wissenschaftler*innen entweder aus der Academia aus und gingen in die Wirtschaft oder sie verfolgten ausschließlich eine wissenschaftliche Laufbahn an der Hochschule. Hier müsse ein duales System ansetzen. Wisskomm kann die Bedeutung von Transfer hervorheben und zum Transfer motivieren, indem sie Sichtbarkeit schafft, so Stefanie Molthagen-Schnöring. Indem sie erfolgreichen Transfer sichtbar macht, schafft sie Wertschätzung für die Kooperationspartner und ihre gemeinsame Arbeit - eine Win-Win-Situation. Dabei sollten möglichst viele Schritte des Kooperationsprozesses durch gutes Storytelling geteilt werden.
Götz Schönfeld, Leiter von neext, Drees & Sommer, betonte, dass Transformation nur mit Kommunikation funktioniere. Er sieht, dass zum Beispiel in den USA oder den Niederlanden Wissenschaft und Wirtschaft ganz selbstverständlich miteinander verzahnt sind und den Schulterschluss suchen. Das geschehe dort ganz automatisch. Wissenschaftskommunikation könne zu einer solchen Automatisierung beitragen: Alte Kommunikationsmuster könnten durch innovative Kommunikationsformate überwunden und so Brücken zwischen Disziplinen, Branchen und Ländern geschlagen werden. Kommunikation fällt in seinen Augen eine Schlüsselrolle zu, um den großen gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit zu begegnen.
Wir freuen uns auf den weiteren Austausch über Kooperationen zwischen Forschung aus Wirtschaft und Wissenschaft und darüber, wie Transfer im Diskurs um die Weiterentwicklung und Professionalisierung der Wissenschaftskommunikation stärker fokussiert werden kann.
Das Projekt wird vom Fonds der Wirtschaft für Wissenschaftskommunikation gefördert und die Veranstaltung von Wissenschaft im Dialog in Kooperation mit dem Stifterverband und der Fraunhofer-Gesellschaft durchgeführt.