„In einer Demokratie ist es wichtig, dass Menschen sich beteiligen können und gehört werden.”
Wie kommen wir vom Wissen zum Handeln? Wie kann friedliches Zusammenleben geschaffen und erhalten werden? Dies sind zwei Beispiele für die insgesamt 59 Cluster, die aus dem IdeenLauf, der zentralen Mitmachaktion des Wissenschaftsjahres 2022 - Nachgefragt, resultieren.
von Rosa Steffens
Nachdem zunächst alle Bürger*innen aufgerufen waren, ihre Fragen für die Forschung einzureichen, entwickelten daraus drei Gremien von Bürger*innen und Wissenschaftler*innen Forschungscluster für die Zukunft. Das dabei entstandene Ergebnispapier wurde bei der Abschlussveranstaltung des Wissenschaftsjahres an Vertreter*innen aus Wissenschaft und Politik übergeben. Über persönliche Highlights, Reaktionen von Beteiligten und die Zukunft der Impulse sprachen wir mit Martin Gora und Maximilian Beyer vom Team des Ideenlaufs.
Was ist aus eurer Sicht das interessanteste und zugleich überraschendste Ergebnis des IdeenLaufs?
Martin: Das interessanteste Ergebnis des IdeenLaufs ist für mich die große Vielfalt der erarbeiteten Themen. Als wir die Bürger*innen zu Beginn des Jahres um ihre Fragen gebeten haben, gab es keine thematischen Vorgaben. Dennoch bekamen wir Fragen und Ideen zu einer Vielzahl an Fachgebieten: Die Zukunft der Mobilität, Wege zu einem gerechteren Miteinander oder der Schutz der Biodiversität sind einige Beispiele dafür. Diese Vielfalt findet sich jetzt auch in den Clustern des Ergebnispapiers.
Maximilian: Aus der Sicht der Wissenschaftskommunikation freut es mich, dass sich viele Bürger*innen für den Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft interessieren und sich beispielsweise gefragt haben, wie man vom Wissen zum Handeln kommt.
Neben dem Aufzeigen neuer Forschungsschwerpunkte wollte der IdeenLauf auch neue Dialoge zwischen Bevölkerung und Wissenschaft anstoßen. Wie und wo ist das besonders gut gelungen?
Martin: In der Zusammenarbeit der drei Gremien, die aus Wissenschaftler*innen und Bürger*innen bestanden, haben wir viele Gespräche zwischen beiden Seiten initiieren können. Zentral war dafür die Clusterkonferenz, bei der die Gremien drei Tage lang intensiv zusammen diskutiert und gearbeitet haben. Die unterschiedlichen Blickwinkel waren dabei besonders wertvoll: Wissenschaftler*innen mit ihrer Fachexpertise und die Bürger*innen als Expert*innen ihrer persönlichen Alltags- und Berufsrealität.
Maximilian: Eine weitere Form des Dialogs bot die Online-Konsultation, ein Bürgerdialog in dem alle Bürger*innen Feedback zu den Zwischenergebnissen geben konnten. Sie konnten Cluster kommentieren und ZukunftsRäume identifizieren. Die wissenschaftlichen Autor*innen der Clustertexte reagierten auf diese Kommentare. Das Feedback floss mit in das Ergebnispapier ein und war daher ein wichtiger Schritt zu dem fertigen Dokument.
Der Weg von über 14.000 eingereichten Fragen zu 59 Clustern und 9 Zukunftsräumen wurde von Wissenschaftler*innen und Bürger*innen begleitet. Wie beurteilten die Beteiligten ihre Arbeit im IdeenLauf? Konnten Wissenschaftler*innen neue Impulse für ihre Forschung und ihre Wissenschaftskommunikation mitnehmen und welche Rückmeldungen kam von den Bürger*innen?
Martin: Die Rückmeldungen, die wir zum IdeenLauf erhalten, sind überwiegend positiv. Die Wissenschaftler*innen betonen dabei unter anderem den gewinnbringenden und wertschätzenden Austausch mit den Bürger*innen. Für sie sind die Ideen der Bürger*innen wichtige Impulse für die eigene Arbeit. Gerade der offene Austausch über das eigene Forschungsthema war für viele Wissenschaftler*innen eine schöne Erfahrung.
Maximilian: Auch von den Bürger*innen haben wir viel Gutes gehört. Viele hatten zu Beginn des Projekts Respekt vor dem Austausch mit den Wissenschaftler*innen. Spätestens mit der Clusterkonferenz sind diese Hemmungen jedoch gefallen. Es wurden intensive Gespräche geführt und die Bürger*innen haben es als bereichernd empfunden mit den Wissenschaftler*innen offen über ihre Fragen zu sprechen. Gleichzeitig war es für die Bürger*innen schön zu sehen, dass die Wissenschaftler*innen auch ernstes Interesse an ihren Ideen und Perspektiven haben.
Dieses Partizipationsformat erfordert für Beteiligte und Organisator*innen viel Aufwand. Überwiegt dennoch der Nutzen? Welche Impulse für künftige Formate der Wissenschaftskommunikation nehmt ihr aus dem IdeenLauf mit?
Martin: Das stimmt. Mit all der Planung, Organisation und Durchführung war der IdeenLauf kein kleines Projekt. Doch dieser Aufwand ist gerechtfertigt. In einer Demokratie ist es wichtig, dass Menschen sich beteiligen können und gehört werden. Wir müssen Räume schaffen, in denen sich Bürger*innen und Wissenschaftler*innen auf Augenhöhe begegnen und auch gemeinsam an Lösungen für unsere Gesellschaft arbeiten können. Die vielen tollen Ideen der Bürger*innen und die Zusammenarbeit der Gremien während des IdeenLaufs bestärken mich darin, dass wir in Zukunft Bürger*innen noch deutlich öfter und stärker einbinden müssen als bisher.
Die Ergebnisse wurden nun an das Bundesministerium für Bildung und Forschung und an die Allianz der Wissenschaftsorganisationen übergeben – um dann in der Schublade zu landen? Wie geht es weiter mit dem IdeenLauf (und welche Rolle spielt dabei die Wissenschaftskommunikation)?
Maximilian: Wissenschaft und Forschungspolitik werden das Ergebnispapier bis Sommer 2023 auf Umsetzungspotenziale prüfen. Das Ergebnis wird dann der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung plant zudem zwei Förderrichtlinien, um die Ideen der Bürger*innen in konkreten Forschungsprojekten zu adressieren. Darüber hinaus sind die Fragen und Anregungen der Bürger*innen auch nach dem Ende des IdeenLaufs digital einsehbar und stehen der Wissenschaft somit weiter als Inspiration für ihre Forschung zur Verfügung.
Martin: WiD wird diesen Prozess im kommenden Jahr weiter begleiten. Zusätzlich wollen wir die Ergebnisse des IdeenLaufs aktiv an die Wissenschaft und auch die Wissenschaftskommunikations-Community herantragen. Denn der IdeenLauf zeigt das große Interesse der Bürger*innen an Wissenschaft und den gestellten Fragen.