Der Beirat des Wissenschaftsbarometers zum Jubiläum

Portrait von Mike Schäfer
Mike Schäfer, Professor für Wissenschaftskommunikation an der Universität Zürich | © Christian Beutler
16. Oktober 2024

Als Beiratsmitglied bringt Mike Schäfer seine Expertise in der Wissenschaftskommunikationsforschung in das Wissenschaftsbarometer ein. Mit seinen Erfahrungen aus dem Schweizer Wissenschaftsbarometer trägt er dazu bei, das deutsche Wissenschaftsbarometer methodisch zu stärken und internationale Vergleiche zu ermöglichen. Anlässlich des 10-jährigen Jubiläums blickt Mike Schäfer auf die Schwerpunkte „Replikationskrise" und „Vertrauen in KI" zurück.

Im Wissenschaftsbarometer 2018 wurde die Replikationskrise zum Anlass genommen, die Bürger*innen nach ihren Einstellungen dazu zu fragen, was es für Wissenschaft und Forschung bedeutet, wenn wissenschaftliche Ergebnisse nicht reproduziert werden können. 78 Prozent der Befragten stimmten dabei zu, dass Irrtümer und ihre Korrektur zu Wissenschaft und Forschung gehören, 62 Prozent betrachten dies als Qualitätssicherung. Was lässt sich daraus über die Kommunikation wissenschaftlicher Methodik lernen?

Die Replikationskrise hat die Wissenschaft und gerade die Sozial- und Verhaltenswissenschaften vor einigen Jahren sehr alarmiert: Aufsehenerregende Veröffentlichungen zeigten, dass sich eine beträchtliche Zahl von bekannten und viel zitierten Studien nicht replizieren ließ. D.h. es kamen schwächere oder gar andere Ergebnisse raus, wenn man versuchte, die gleiche Studie zu wiederholen. Das war für die Forschung ein Problem – offensichtlich waren die berühmten „Schultern der Riesen“, auf denen man bei der weiteren Forschung vermeintlich stand, gar nicht so breit und stabil, wie man gedacht hatte. Man sorgte sich zudem um die öffentliche Wirkung dieser Krise: Was würden wohl die Bürgerinnen und Bürger sagen? Dass das Wissenschaftsbarometer 2018 dann zeigte, dass viele Bürger das eher gelassen sahen, war beruhigend und zeugte von einem Grundvertrauen vieler Menschen in die Wissenschaft. Und es zeigte auch, dass nicht nur die Kommunikation von Ergebnissen in die Öffentlichkeit wichtig ist, sondern dass es dabei auch um Methoden und die grundlegende Logik der Wissenschaft gehen sollte.

Gemeinsam mit den Kolleg*innen von Wissenschaft im Dialog haben Sie dazu auch ein wissenschaftliches Paper publiziert: The "replication crisis” in the public eye. Was waren hier Ihre zentralen Erkenntnisse?

Zunächst mal hatte nur etwa ein Viertel der Deutschen überhaupt von der Replikationskrise gehört. Es war also kein Thema, das der breiten Öffentlichkeit wirklich bekannt war oder sie besonders umtrieb. Wenn man ihnen dann kurz erklärte, was gemeint ist, sah die Mehrheit der Menschen derartige Replikationsversuche eher positiv, sogar wenn sie fehlschlugen. Eben als Teil der wissenschaftlichen Qualitätskontrolle und als Beleg dafür, dass sich die Wissenschaft selbst korrigiert, wenn Fehler gemacht werden. Und diese Einstellungen waren, mit ein paar Ausnahmen, recht gleichmäßig über die deutsche Bevölkerung verteilt. Die Ausnahmen: Ältere Menschen und Anhänger der rechtspopulistischen AfD waren kritischer. Für sie war die Replikationskrise eher ein Beweis dafür, dass man der Wissenschaft nicht trauen könne.

Im Wissenschaftsbarometer 2023 ging es um ein anderes aktuelles Thema: Generative KI. Die Teilnehmer*innen wurden gefragt, inwieweit sie ChatGPT bei der Wiedergabe wissenschaftlicher Inhalte vertrauen. Was muss die Wisskomm bei der Verwendung Künstlicher Intelligenz beachten, um Vertrauensverlust zu vermeiden oder sogar Vertrauen zu fördern?

Das Wissenschaftsbarometer zeigte, dass Deutsche ChatGPT und ähnlichen Tools als Quelle in der Wissenschaftskommunikation eher skeptisch gegenüberstehen. Während 46 Prozent der Befragten generativer KI in der Wissenschaftskommunikation „stark“ oder „eher“ mistrauten, vertrauten nur 14 Prozent „eher“ und 3 Prozent „stark“. Und es zeigte sich, dass das Vertrauen in generative KI stark von der allgemeinen Einstellung zur Wissenschaft abhängt. Menschen, die Wissenschaft generell vertrauen, tendieren auch eher dazu, KI als vertrauenswürdige Informationsquelle zu akzeptieren. Skepsis gegenüber generativer KI entsteht vor allem durch Unsicherheiten bezüglich der Genauigkeit und der möglichen Verzerrungen in den KI-generierten Inhalten.

Das sind erstmal herausfordernde Befunde für die Wissenschaftskommunikation. Denn Studien zeigen, ja auch wenig überraschend, dass KI in der WissKomm zunehmend verwendet wird. Man hat aber ein Dilemma: Man weiß, dass das Publikum gern Transparenz hätte, also wüsste, ob KI verwendet wurde, dass es zugleich aber den Ergebnissen von KI dann nicht vertraut. Man sollte generative KI daher behutsam einsetzen, immer den vielzitierten „human in the loop“ haben und ihn oder sie auch für die Inhalte einstehen lassen. Und sich überlegen, ob und wie man grundsätzlich das Vertrauen in die Technologie fördern will. Denn das hängt ja immer auch vom Vertrauensobjekt, also der Technologie selbst ab. Und im Fall von ChatGPT und vielen ähnlichen Tools ist das eine Technologie, deren Trainingsdaten und Quellcode nicht offen ist und die in der Hand von oligopolistischen US-Unternehmen ist. Da ist es vielleicht auch angebracht, etwas vorsichtiger zu sein.

Mike S. Schäfer ist Professor für Wissenschaftskommunikation und Leiter des Department of Communication and Media Research (IKMZ) an der Universität Zürich. Er ist Direktor des Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (CHESS) an der Universität Zürich. Mike S. Schäfer leitet das „Wissenschaftsbarometer Schweiz“. Er ist Mitglied von acatech und Associate Fellow des Collegium Helveticum.

Seine Forschungsschwerpunkte sind Umwelt- und Klimakommunikation, die öffentliche Wahrnehmung von Wissenschaft und Technologie sowie die Untersuchung von Wissenschaftspopulismus und Verschwörungstheorien.

Am 6. November 2024 feiern wir das 10-jährige Jubiläum des Wissenschaftsbarometers. Interessierte können teilnehmen und erfahren, wie sich die Einstellungen der Deutschen zur Wissenschaft in den letzten zehn Jahren verändert haben. Wir präsentieren die aktuellen Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2024 und diskutieren zentrale Trends in der Wahrnehmung von Wissenschaft und Forschung. Die Vorstellung findet im Rahmen der Berlin Science Week statt. Die Teilnahme ist vor Ort im Fraunhofer-Forum Berlin oder digital via Livestream möglich. Wir bitten um eine Anmeldung.