Das war die Wisskomm Connected!

© Simon Esser / Wissenschaft im Dialog
12. September 2024
Ein Rückblick auf den zweiten Tag der Konferenz

Der zweite Tag der Konferenz über den Transfer zwischen Theorie und Praxis der Wisskomm begann mit einer Double Keynote zum Umgang mit Mis- und Desinformationen in der Wissenschaftskommunikation.

von Simon Esser

Zum Umgang mit Mis- und Desinformationen in der Wissenschatskommunikation

Der zweite Tag begann mit einer Double Keynote von Niels G. Mede und Sven Egenter zum Umgang mit Mis- und Desinformationen in der Wissenschaftskommunikation. “Misinformationen kommen häufig vor und am 1. April lachen wir sogar darüber”, sagt Sven Egenter. Problematisch werde es aber, wenn aus bestimmten Interessen heraus bewusst Argumentationsketten aufgebaut werden und damit die Grenze zur Desinformation überschritten wird. In solchen systematischen Kampagnen könne das Siegel der Wissenschaft gezielt eingesetzt werden, um Legitimität zu beanspruchen und Debatten zu steuern. "Ist eine Fehlinformation erst einmal unterwegs, ist es schwer, sie wieder einzufangen", warnt Sven Egenter.

© Simon Esser / Wissenschaft im Dialog

Die Anfälligkeit für Misinformationen liege oft darin, dass sie einfache Erklärungen für komplexe Sachverhalte bieten, was in Zeiten der Unsicherheit besonders attraktiv ist. Obwohl Wissenschaftler*innen hohes Vertrauen genössen, werde auch dem sozialen Umfeld, wie Nachbar*innen oder Kolleg*innen, großes Vertrauen entgegengebracht.

Niels Mede weist darauf hin, dass unter Expert*innen oft Uneinigkeit darüber herrsche, was genau Misinformation ausmache, da verschiedene Maßstäbe und Definitionen angelegt würden. Dies führe auch zu Missverständnissen im wissenschaftlichen Diskurs.

Die Korrektur von Fehlinformationen, das sogenannte De-Bunking, erweise sich oft als wenig wirksam. Es sei wichtig, Logiklöcher aufzuzeigen und Fehlschlüsse mit anderen Beispielen zu illustrieren. Am Ende solle immer die Richtigstellung stehen. Dennoch könnten Effekte wie Backfiring und Bumerang-Effekte dazu führen, dass die ursprüngliche Fehlinformation weiter verbreitet werde. Ein Ausweg, so Sven Egenter und Niels Mede, könne das Pre-Bunking sein - das Verhindern von Desinformation, bevor sie überhaupt entsteht.

© Simon Esser / Wissenschaft im Dialog

Dazu fordert Sven Egenter: "Ab in die dunklen Orte! Wir müssen verstehen, wo sich die Menschen informieren, und uns dort einschalten." Er betont, wie wichtig es sei, aktiv zu werden und in einer verständlichen Sprache dort zu kommunizieren, wo die Diskussionen stattfinden. Er schlägt vor, die wissenschaftliche Methodik zu vermitteln, die eigene Rolle zu reflektieren und die Resilienz der Bevölkerung gegenüber Fehlinformationen zu stärken.

Motivationsfaktoren zur Wisskomm

Am Nachmittag ging es unter anderem um Motivationsfaktoren für die Wissenschaftskommunikation. Lennart Banse sagt, dass die intrinsische Motivation in der Wissenschaftskommunikation eine große Rolle spiele. Viele Wissenschaftskommunikator*innen sehen es als ihre Pflicht, Informationen zu teilen und haben Spaß an der Kommunikation, sagt er. Erste Erfahrungen könnten diese Motivation noch verstärken. Externe Anreize, wie z.B. in Berufungsverfahren, fehlten jedoch.

Early Career Researchers, so Fenja De Silva-Schmidt, zeigten oft eine hohe intrinsische Motivation. Zudem nehme die wissenschaftliche Kommunikation in den Promotionsprogrammen einen höheren Stellenwert ein. Dennoch führten diffuse Anforderungen oft zu Unsicherheiten bei den Nachwuchswissenschaftler*innen: Sie wüssten nicht, ob ihr Institut sie unterstützt oder ob sie bereits über genügend Expertise verfügen. Sie wünschten sich Anerkennung, finanzielle Unterstützung und mehr Kommunikationsmöglichkeiten, wie z.B. Formate der Langen Nacht der Wissenschaften.

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Zusammenarbeit von Praxis und Forschung

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurden aktuelle Potenziale und Herausforderungen der Zusammenarbeit von Praxis und Forschung diskutiert. Annette Leßmöllmann sieht einen klaren Wandel im Dialog zwischen Forschung und Praxis. Der transferwissenschaftliche Gedanke habe sich durchgesetzt, und der Austausch sei selbstverständlicher geworden. Doch bleibe es eine Herausforderung, spezialisierte Wissenschaftler*innen in den Dialog zu bringen. Hier könnten Kommunikationstrainings und interdisziplinäre Austauschformate, wie sie in den Studiengängen verankert werden sollten, Abhilfe schaffen.

© Simon Esser / Wissenschaft im Dialog

Cordula Kleidt betont, dass der Austausch über die Anerkennungskultur in der Wissenschaftskommunikation auch auf der Ebene der Bundesländer weitergedacht werden müsse und verweist auf eine Selbstverpflichtung der Hochschulen, die aus dem PUSH-Memorandum hervorgehe: “Weniger kann auch mehr sein, aber man muss sich auf den Weg machen”. Philipp Niemann hebt die zunehmende Professionalisierung des Transfers hervor, die zu mehr Kooperationen geführt habe. Die daraus gewonnenen Erfahrungen könnten für die Entwicklung eines fundierteren theoretischen Rahmens genutzt werden. Dr. Georg Schütte sagt, dass sich die Forschung zur Wissenschaftskommunikation an konkreten Aufgaben zwischen Fachcommunities, Praxisakteuren und Zielgruppen entfaltet. Er plädiert dafür, die Instrumente am Fall zu prüfen und nicht bei abstrakten Kriterien stehen zu bleiben.

Christoph Markschies ist überzeugt, dass persönliche Ansprache Menschen zum Nachdenken bringt: Der Satz "Bei uns gibt es Kaffee und Kuchen umsonst" habe für ihn schon viele Gespräche eröffnet. Auch Wissenschaftler*innen sollten die ganz persönliche Begeisterung für ihr Fach nicht verlieren. Gleichzeitig beobachtet er eine zunehmende Erschöpfung unter Forschenden angesichts des hohen Leistungsdrucks und plädiert für Rücksichtnahme. Von Wissenschaftspolitik und -management fordert er einen kooperativen Ansatz: “Nicht immer nur treiben, sondern einladen und gemeinsam etwas entwickeln!”

© Simon Esser / Wissenschaft im Dialog

Herzlichen Dank an die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften für die Gastfreundschaft und die schöne gemeinsame Organisation und an das Bundesministerium für Bildung und Forschung für die Förderung der Transfer Unit. Wir bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmer*innen für den schönen Austausch und freuen uns auf ein baldiges Wiedersehen!