"Anders als in Deutschland haben in der Schweiz auch formell niedriger Gebildete tendenziell ein hohes Vertrauen in Wissenschaft."

Portrait von Julia Metag
© Nadine Daum
28. Oktober 2024

Als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats trägt Julia Metag dazu bei, die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers im Hinblick auf die mediale Vermittlung wissenschaftlicher Inhalte und deren Wahrnehmung in der Gesellschaft einzuordnen. Ihre Mitarbeit beim Schweizer Wissenschaftsbarometer ermöglicht den Austausch von Erkenntnissen zwischen den Projekten. Im Interview spricht sie über Veränderungen im Mediengebrauch und Unterschiede in den Ergebnissen zwischen Deutschland und der Schweiz.

Seit 2015 fragt das Wissenschaftsbarometer, welche Medien die Teilnehmer*innen zur Information über Wissenschaft und Forschung konsultieren. Welche Veränderungen fallen Ihnen auf?

Ich denke, die wichtigste Veränderung ist, dass das Internet inzwischen die Hauptinformationsquelle über Wissenschaft darstellt. 2015 informierte sich die Mehrheit der Deutschen noch über das Fernsehen und Zeitungen oder Magazine über wissenschaftliche Themen. Inzwischen liegt das Internet klar an erster Stelle. Wenn man sich anschaut, was die Deutschen online nutzen, um sich über Wissenschaft zu informieren, dann haben in den letzten Jahren YouTube oder ähnliche Videoplattformen relativ stetig an Bedeutung zugenommen. 2023 gaben auch immerhin 21 Prozent an, soziale Netzwerke häufig oder sehr häufig für Informationen zu Wissenschaft zu nutzen. Interessant wird sein, wie sich die Bedeutung von Messenger-Diensten in den nächsten Jahren entwickeln wird. Die Nutzung wurde im Wissenschaftsbarometer 2023 ja erstmalig abgefragt und lag da noch bei 17 Prozent.

Auch in der Schweiz werden regelmäßig Daten zum Informationsverhalten der Bürger*innen erhoben. Sehen Sie Unterschiede oder Gemeinsamkeiten, die Sie hervorheben würden?

Wir haben das Wissenschaftsbarometer Schweiz zuletzt 2022 durchgeführt. Beim Informationsverhalten überwiegen bislang die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und der Schweiz. Auch in der Schweiz hat sich gezeigt, dass das Internet Printmedien als meistgenutzte Quelle für wissenschaftliche Informationen abgelöst hat, während das Fernsehen eine stabile Nutzung verzeichnet. Online-Webseiten und Apps von Zeitungen und Zeitschriften sind dabei die wichtigsten Informationsquellen, mit einem ebenfalls wachsenden Einfluss von YouTube und Messengern – insbesondere seit der Pandemie. Aktives Online-Verhalten, wie das Posten von Inhalten, ist in der Schweizer Wohnbevölkerung beim Thema Wissenschaft insgesamt selten; das Liken von Beiträgen kommt häufiger vor. Daten aus dem deutschen Wissenschaftsbarometer 2023 zeigen, dass die Mehrheit der Befragten, die sich im Internet über Wissenschaft informieren, Websites oder Mediatheken von Nachrichtenmedien nutzen – dies war 2022 in der Schweiz ebenfalls der Fall.

Neben den Ergebnissen zum Informationsverhalten gibt es auch eine Reihe von anderen Einstellungen, die sowohl im Schweizer als auch im deutschen Wissenschaftsbarometer erhoben werden (z. B. das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung oder das Interesse daran). Welche Vergleiche können zwischen den beiden Ländern angestellt werden?

Auch hier überwiegen die Gemeinsamkeiten. Das Vertrauen in die Wissenschaft und das Interesse daran sind in Deutschland und der Schweiz sehr ähnlich. 2023 gaben in Deutschland 56 Prozent der Befragten an, ein hohes oder sehr hohes Vertrauen in Wissenschaft zu haben. In der Schweiz lag der Wert 2022 bei 59 Prozent; beide Länder kehren damit ungefähr auf das Niveau vor der Pandemie zurück. Das Interesse an Wissenschaft ist ebenfalls hoch: 2022 waren 54 Prozent der Deutschen und 55 Prozent der Schweizer stark oder sehr stark interessiert an Wissenschaft. Unterschiede zeigen sich beim Zusammenhang von Vertrauen und Bildung: Anders als in Deutschland haben in der Schweiz auch formell niedriger Gebildete tendenziell ein hohes Vertrauen in Wissenschaft.

Prof. Dr. Julia Metag ist seit 2019 Professorin für Kommunikationswissenschaft am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Universität Münster. Vorher forschte und lehrte sie an den Universitäten Fribourg und Zürich in der Schweiz. Sie promovierte im Jahr 2013 an der Universität Münster. 

Ihre Forschung konzentriert sich auf Wissenschaftskommunikation und politische Kommunikation, mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Perspektive des Publikums und digitalen Medienumgebungen. Sie ist Co-Projektleiterin des Wissenschaftsbarometers Schweiz und eines BMBF-Projekts zur Kommunikation von privaten Hochschulen sowie Projektleiterin eines Teilprojekts in der DFG-geförderten Forschungsgruppe DISELMA - Digitale Medien im Selbstmanagement chronischer Erkrankungen.

Am 6. November 2024 feiern wir das 10-jährige Jubiläum des Wissenschaftsbarometers. Interessierte können teilnehmen und erfahren, wie sich die Einstellungen der Deutschen zur Wissenschaft in den letzten zehn Jahren verändert haben. Wir präsentieren die aktuellen Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2024 und diskutieren zentrale Trends in der Wahrnehmung von Wissenschaft und Forschung. Die Vorstellung findet im Rahmen der Berlin Science Week statt. Die Teilnahme ist vor Ort im Fraunhofer-Forum Berlin oder digital via Livestream möglich. Wir bitten um eine Anmeldung.