16 Begriffe für Wissenschaftskommunikation
Wie kann der Austausch zwischen Praktiker*innen und Forscher*innen in der Wissenschaftskommunikation gelingen? Das haben die Kolleg*innen unseres Bereichs Qualität und Transfer auf internationalen Konferenzen diskutiert. Bereichsleiterin Liliann Fischer zieht Bilanz.
Liliann, die Wisskomm-Community trifft sich zu internationalen Konferenzen. Was sind die wichtigsten Learnings für dich? Welche Themen werden über Grenzen hinweg diskutiert?
Wir sehen deutlich, dass international die Fragen sehr intensiv diskutiert werden, mit denen wir uns momentan im Bereich Qualität und Transfer beschäftigen. Zum Beispiel wird viel über Wirkung und Evaluation diskutiert, aber auch über Vertrauen in die Wissenschaft. Das Verhältnis von Forschung und Praxis in der Wissenschaftskommunikation, dem sich unsere Transfer Unit widmet, war dieses Jahr sogar eines der Hauptthemen der PCST-Konferenz. Ich habe den Eindruck, dass sich bei all diesen Themen auf nationaler Ebene wahnsinnig viel bewegt und ganz viele neue Initiativen entstehen. Gleichzeitig gibt es auch immer mehr den Wunsch danach, die bereits existierenden Ansätze international zusammenzubringen. Die EU-Kommission hat beispielsweise entschieden, die bisherige Förderrichtlinie SWAF (Science with and for society) nicht weiterzuführen. Stattdessen wird sie ein einziges EU-Kompetenzzentrum für Wissenschaftskommunikation fördern. Den Zuschlag hat das Projekt COALESCE bekommen, das sich auch auf der PCST und auf der EUSEA der Community vorgestellt hat. Das Zentrum wird vor allem die bisherigen auch nationalen Ansätze bündeln, qualitativ einordnen und Verbindungen zwischen nationalen und europäischen Initiativen herstellen, etwa zu guter Wissenschaftskommunikation oder Kompetenzvermittlung. Ich glaube, das zeigt ganz gut das allgemeine Interesse an diesen Themen, aber auch den Wunsch nach einer gewissen Einheitlichkeit und Standardisierung.
Spricht die Wisskomm-Community dabei eine Sprache oder gilt es da, Barrieren zu überwinden?
Wir merken ja schon hier in Deutschland, dass die Wisskomm so ihre Probleme hat, eine gemeinsame Sprache zu finden. Was ist Wissenschaftskommunikation, was -PR und wie grenzt sich das von Public Engagement ab? In der internationalen Community ist das nicht anders, es gibt große nationale und kontextabhängige Unterschiede. Viele Länder verwenden ihre ganz eigenen Worte, zu denen es nicht immer Entsprechungen gibt. Bernhard Schiele hat auf der PCST ein sehr interessantes Beispiel dafür präsentiert. 2020 hat er gemeinsam mit einer Gruppe von Forschenden das Buch "Communicating Science: A Global Perspective” herausgegeben. Darin berichten Autor*innen über Wissenschaftskommunikation in den Ländern, in denen sie forschen. Insgesamt sind 37 Kapitel zu 39 Ländern entstanden. Einige der Herausgeber*innen haben im Nachgang erfasst, wie viele verschiedene Begriffe für Wissenschaftskommunikation von den Autor*innen verwendet wurden. Dabei haben sie 16 verschiedene Begriffskategorien gefunden. Diese reichen von Science Communication, das in ausnahmslos allen Kapiteln verwendet wird, über Public Understanding of Science, das besonders häufig in den Kapiteln zu Japan, Großbritannien aber auch unter anderem zu Deutschland oder Portugal verwendet wird, bis hin zum Begriff “vulgarisation”, der nur im Kapitel zu Frankreich zu finden ist. Jeder dieser Begriffe bringt eigene Annahmen und Erwartungen mit sich. Es ist also nicht verwunderlich, dass auch im internationalen Kontext nicht unbedingt eine Einigkeit darüber herrscht, wovon wir eigentlich sprechen.
Wissenschaftskommunikation will divers und inklusiv sein, wenn es um ihre Zielgruppen geht. Wie divers ist die Community selbst?
Ich glaube, das ist ein absolut zentrales Thema und eines, das auch auf den internationalen Konferenzen immer wieder heiß diskutiert wird. Es ist ja leider häufig so, dass die Wissenschaftskommunikation diverse Zielgruppen ansprechen möchte, die Kommunikation aber von einer sehr homogenen und in vielerlei Hinsicht privilegierten Gruppe ausgeht. Da stellen sich zurecht die Fragen, wie gut sich verschiedene Zielgruppen davon angesprochen fühlen, aber auch, wie es eigentlich um Zugangsvoraussetzungen in der Wissenschaftskommunikation bestellt ist. Auf der diesjährigen PCST wurde Diversität in mehreren Sessions diskutiert. Dabei ging es um queere Menschen in der Wissenschaftskommunikation, aber auch um die Einbindung von Vertreter*innen aus dem globalen Süden in der PCST. Auch das ist, glaube ich, ein Thema mit nationaler, aber auch internationaler Bedeutung.
In Deutschland stehen zurzeit vor allem ko-kreative und partizipative Formate der Wissenschaftskommunikation im Fokus. Wie sieht es in anderen Ländern aus?
Dieser Trend ist definitiv auch international zu beobachten. Traditionell kommt der Ansatz vor allem aus Großbritannien, wo ja (und hier sind wir wieder beim Wording), Public Engagement with Science eine lange Tradition hat. Ich würde aber auch sagen, dass hier große nationale Unterschiede bestehen. Partizipative und ko-kreative Verfahren sind häufig ressourcen- und zeitintensiv. Nicht alle Länder haben hier die gleichen Startvoraussetzungen. Zudem ist für solche Prozesse häufig ein Kulturwandel auch innerhalb der Wissenschaft notwendig, der ein gewisses Ausmaß an Partizipation überhaupt zulässt. Ich würde sagen, es gibt international definitiv ein Bewusstsein für die Notwendigkeit, Zielgruppen mehr einzubinden, und vor allem auch auf die Bedarfe der Communities zu hören, mit denen man ins Gespräch kommen möchte. Das Ausmaß, in dem diese Befassung dann partizipative Züge annimmt, ist aber national stark unterschiedlich.
Welche Themen müssen aus deiner Sicht als nächstes diskutiert werden?
Ich glaube, eine Frage, der wir uns noch mehr widmen müssen, ist die Frage der Werte. Das wurde auf der PCST-Konferenz in einigen Sessions durchaus kontrovers diskutiert. Können wir uns international auf gemeinsame Werte einigen, die unsere Arbeit in der Wissenschaftskommunikation leiten? Denn ich denke, über Wordings lässt sich immer streiten, genauso darüber, ob ein Prozess jetzt partizipativ oder dialogisch ist, aber welche Werte für uns alle diesen Prozessen zugrunde liegen, darüber sollten wir uns nach Möglichkeit einig sein. Ich bezweifle, dass wir die Wertefrage in diesem Sinne „lösen“ können, aber ich fände es wichtig, sie zu diskutieren.
Das Interview führte Ursula Resch-Esser.